Der Verein Erziehung und Bildung lanciert in Aarau ein neues Angebot für Kinder, die vom Kindergarten dispensiert wurden.
Stichtag für den Eintritt in den Kindergarten ist der 31. Juli. Alle Kinder, die vor diesem Stichtag vier Jahre alt werden, werden eingeschult. Ist ein Kind noch nicht reif für den Kindsgi, kann es auf ein Gesuch der Eltern hin durch die Schulpflege dispensiert werden.
Diese Verschiebung des Stichtages vom 30. April auf Ende Juli war Teil der 2012 vom Stimmvolk gutgeheissenen Vorlage «Stärkung der Volksschule Aargau». In Aarau (Schulstandorte in der Stadt, ohne Aarau Rohr) gilt der Stichtag per Ende Juli seit Schuljahr 2015/16.
Der späte Stichtag spaltet die Geister. Die Zahl der Gesuche ist im Aargau mit Einführung des späteren Stichtags deutlich angestiegen. Das bestätigte Manfred Dubach, Geschäftsführer des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, diesen März gegenüber der AZ. Ebenso die Zahl der Kinder, die nach den ersten Wochen im Kindergarten dispensiert werden, weil sich im Alltag zeigt, dass das Kind noch nicht reif genug ist.
Auch wenn der frühe Kindergartenstart zu gewissen Problemen führt – gerüttelt wird daran nicht. Sowohl die Aargauer Regierung als auch der Grosse Rat sehen keinen Handlungsbedarf, den Stichtag zu verschieben. Ein entsprechendes Postulat von SVP-Grossrätin Maya Meier wurde Anfang Monat deutlich abgelehnt.
Doch was ist mit den Vierjährigen, die noch nicht in den Kindsgi gehen oder nach wenigen Wochen dispensiert werden? Sie brauchen private Betreuung oder besuchen wieder eine Kindertagesstätte (Kita), weil die Tagesstruktur am Morgen geschlossen ist. Und genau hier liegt für den Aarauer Verein Erziehung und Bildung (VEB) das Problem.
«Bei uns in der Kita haben wir einige solche Kinder, die im Kindergarten gestartet sind und bei denen die Lehrpersonen und Eltern festgestellt haben, dass sie noch nicht so weit sind», sagt Brigitte Iseli, Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiterin Pädagogische Fachführung. «Diese Kinder sind älter als die anderen und müssen sich deshalb nach unten orientieren.»
Es fehle an einer altersgerechten Förderung. Kindern wiederum, die daheim betreut werden, fehle es womöglich an sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen oder deutschen Sprachkenntnissen. «Dabei wäre es so wichtig, dieses Jahr zu nutzen, und das Kind in seinen kognitiven, sprachlichen, emotionalen, sozialen und motorischen Fähigkeiten zu fördern», sagt Brigitte Iseli.
Aus diesem Grund hat der VEB in seinen Häusern Spielvilla (im Schachen) und Clubhaus Telli ein neues Angebot lanciert: «Stark in den Kindergarten» heisst es und richtet sich an Kinder vor dem Kindergarteneintritt (ab 3 Jahren).
Hier werden die Kinder spielerisch gefördert, beispielsweise beim gemeinsamen Basteln, Werken und Spielen. Mit diesem «Kindergarten light»-Angebot nimmt der VEB laut eigenen Angaben weit über die Region hinaus eine Vorreiterrolle ein.
«Wir ersetzen keinen Kindergarten, wir bereiten das Kind darauf vor», betont Brigitte Iseli. Meist fehle es den Kindern an den Grundfertigkeiten. Also dem selbstständigen Anziehen, dem Ausführen kleiner Aufträge wie beispielsweise Aufräumen, an der Fingerfertigkeit mit Schere, Papier und Leim, an der Interaktion.
Dinge, die spielerisch geübt werden, ohne dass die Kinder müssen. «Wenn ein Kind müde ist, darf es eine Pause machen. Es gibt sein eigenes Tempo vor.»
Auch wenn sich die Diskussion meist um die Kinder dreht, die später eingeschult werden, so legt der VEB doch auch ein grosses Augenmerk auf die Kinder, die nach den ersten Wochen vom Kindergarten dispensiert werden.
«Diese Kinder müssen sich bereits mit einem ersten Rückschritt im Schulalter auseinandersetzen. Das kann zu Frustration führen», sagt Natascha Wertli, ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung und stellvertretende Geschäftsführerin.
Gleichzeitig könne mit dem Entscheid, die Einschulung ein Jahr zu verschieben, Erleichterung verschafft werden – für Kind, Eltern und Lehrer. «Mit unserem Angebot möchten wir auch erreichen, dass diese Kinder im Jahr darauf wieder gut vorbereitet mit viel Freude und frischem Elan in den Kindergarten gehen.»
Um solche Kinder optimal aufzufangen, stehe man in sehr engem Austausch mit den Lehrpersonen. Das Angebot gilt nach den Herbstferien jeden Tag von 8.30 bis 11 Uhr. Optimalerweise sollten Kinder zwei- bis dreimal pro Woche das Modul besuchen, um eine gewisse «Grundfitness» zu erlangen.
Ein Morgen kostet 35 Franken, dazu können weitere Module wie Mittagstisch oder Nachmittagsbetreuung gebucht werden. Der Besuch des Angebots wird von der Stadt nicht subventioniert.
Man habe mit dem Angebot einen Nerv getroffen, sind sich Wertli und Iseli sicher. Bereits seien erste Anfragen von Eltern eingegangen. «Sollte sich das Angebot in Aarau bewähren, werden wir es an unseren anderen Standorten in Erlinsbach, Lenzburg und Wohlen übernehmen.»