Ab diesem Wochenende erhellen Weihnachtsbäume in der Region Aarau die Dunkelheit – nur einer steht abseits.
«Die Tanne ist eindeutig krumm», sagt in Staufen ein Baumschmücker zum anderen. «Das siehst du als Schafisheimer sicher nicht», entgegnet sein Kollege. Diese Szene spielte sich beim alljährlichen Schmücken des Weihnachtsbaumes ab und zeigt: Die Wettbewerbe darum, wer den schönsten Baum in der Region hat, sind eröffnet.
In Staufen muss der Weihnachtsbaum der Stadt Lenzburg in Schönheit und Grösse übertroffen werden: «Das Ziel ist schon, dass unserer grösser ist», sagt Gemeindeschreiber Mike Barth mit einem Augenzwinkern. Jedes Jahr treffen sich die Staufner zum gemeinsamen Baumschmücken. Vor 15 Jahren begann die Tradition mit einem Holztisch und einer Flasche Wein. «Anwesend waren der Gemeindeammann, Gemeindearbeiter und ich», erinnert sich Barth.
Heute versammelt sich das halbe Dorf zum Spektakel: Mit einer Autodrehleiter drapiert die Feuerwehr 55 Lichterketten rund um den Baum, mehr als eine Stunde stehen die Schmücker dafür auf dem wackligen Gerüst. Die Strasse ist für den Verkehr gesperrt, denn der Baum steht in der Mitte der Kreuzung. Nur für den Bus wird das Absperrband jeweils kurz entfernt. Die Bus-Chauffeure müssen mit Fingerspitzengefühl am Weihnachtsbaum vorbeimanövrieren.
Vor über 16 Jahren hätten an dieser Stelle zwei Linden gepflanzt werden sollen, doch der Vorschlag wurde an der Gemeindeversammlung abgelehnt. Die Gegner argumentierten damals mit den hohen Kosten und dem Aufwand für die Laubbeseitigung. Später hatte jemand die Idee, statt der Linden in der Adventszeit eine schöne Tanne hinzustellen.
«Am schönsten ist der Weihnachtsbaum, wenn die unzähligen Lichter durch den Puderzuckerschnee schimmern», sagt Gemeindeammann Otto Moser. Auf den Schnee warten die Staufner noch, die Kälte kriecht trotzdem langsam in die Glieder und die Dorfbewohner wärmen sich die klammen Finger an einem dampfenden Becher Glühwein. Mittlerweile ist die eine Seite des Baumes beleuchtet und ein vorwitziger Knirps sagt zu seiner Mutter: «Der Baum gefällt mir nicht so. Er hat gar keine Kugeln!»
Recht hat er ja, der kleine Beobachter: Praktisch überall in der Region hängen an den Tannenbäumen die künstlichen Lichterketten ohne zusätzlichen Schmuck – der Baum in Reinach mit blauen Kugeln ist eine Ausnahme. Der Staufner Gemeindeammann ist überzeugt: «Im Strassenverkehr würden die Kugeln den Advent nicht überleben.» Wie war das noch mal mit der Besinnlichkeit und Ruhe an Weihnachten?
Tags darauf stehen wir in Dürrenäsch auf dem Hausberg «Chnübel». Man sieht keine hundert Meter weit. Unsichtbar brummt irgendwo ein Traktor. Schwach erkennbar ist im Nebel die schiefe Silhouette einer Tanne. Dabei sieht man den Christbaum von Dürrenäsch bei gutem Wetter sogar vom Hallwilersee her. Als einzige hat die Gemeinde ihren Baum auf den Hügel gesetzt, wo jeweils der 1. August gefeiert wird. Die Dürrenäscher sind stolz auf ihn. Am Freitag stand er noch schief und nackt da, heute wird er mit Lämpchen und oben einer grossen Kugel geschmückt. Fern ab von den Zentren, wo der Weihnachts-Klimbim schon im Oktober beginnt, hat der Advent hier noch ein fixes Startdatum.
Eine Frau steht vor ihrem Bauernhaus und sagt: «Ach ja, der Baum. Dabei habe ich gestern doch erst die Geranien reingenommen.» Auch neben dem Weihnachtsbaum oben blühen noch Kornblumen. Kein Schnee, der Weihnachtsgefühl verbreiten würde. Nur dicker Nebel. In grossen Tropfen hängt die Feuchtigkeit an den Nadeln. Wenn der Wind durch den Baum fährt, fallen sie einen Ast weiter nach unten – mit einem feinen, hellen Plitsch.
Und in der Stadt? In Aarau blieben am Freitag immerhin ein paar Passanten stehen und Kinder zeigten nach oben, als die Weihnachtsbeleuchtung automatisch vom Lichtsensor gesteuert anging.