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Das Verkehrsberuhigungsprojekt in Erlinsbach AG kommt zwar mehrheitlich gut an – doch mit einem Entscheid sind die Speuzer nicht einverstanden.
Wenn an Gemeindeinfoveranstaltungen die Fragerunde für das Publikum eröffnet wird, dauert es normalerweise eine Weile, bis sich die Ersten trauen. Nicht so in Erlinsbach AG: Nach zwei Sekunden schnellte bereits eine Hand hoch. Thema des Abends: die flächendeckende Einführung von Tempo 30 in den Quartieren. Ein entsprechender Verpflichtungskredit über 105 000 Franken kommt am 14. 6. vor die Gmeind. Der Grossteil der 140 aufgestellten Stühle war besetzt – das Thema brennt den Speuzern unter den Nägeln.
Tempo 30 ist in Erlinsbach schon seit Jahren ein Thema. Aber wann immer es hätte eingeführt werden sollen, gab es Widerstand. 2011 wurde die flächendeckende Einführung an der Gmeind abgelehnt. Ab 2017 befasste sich die Verkehrskommission aber wieder konkret damit. Eine Umfrage im Sommer 2018 zeigte, dass fast alle Quartiere, mit Ausnahme von Laurenzenbad und Hard, die Einführung von Tempo 30 mehrheitlich begrüssen. Diese beiden Quartiere, deren Siedlungsgebiete ohnehin nicht direkt mit dem Dorf verbunden sind, werden nun vom Projekt ausgenommen.
Wie Thomas Belloli vom Verkehrsplanungsbüro Belloli in Brugg ausführte, hat man verschiedentlich Tempomessungen durchgeführt. Diese hätten ergeben, dass an keiner einzigen Strasse bauliche Massnahmen nötig sind, um Tempo 30 einzuführen. «Die Minimalausstattung reicht an vielen Orten», sagte er. Diese besteht aus einer einfachen Tempo-30-Tafel und einer Bodenmarkierung. An wenigen Strassen ist eine etwas grössere Tempo- 30-Stele nötig, die in die Strasse hineinragt.
Entlang der Sonnhalde und der Brühlstrasse, wo tendenziell zu schnell gefahren wird, gibt es längs der Strasse beige Farbbänder am Boden, um die Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren. Und bei der Schulanlage Kretz sind aus demselben Grund besondere Bodenmarkierungen geplant.
An den meisten Kreuzungen besteht bereits der notwendige Rechtsvortritt. Und der einzige Fussgängerstreifen, der sich künftig innerhalb der Tempo-30-Zone befinden wird (Buchhalde), darf wegen des Schulwegs bleiben. Alle anderen Fussgängerstreifen befinden sich bei Strasseneinmündungen ausserhalb der Zone und sind sowieso nicht infrage gestellt.
In der Diskussionsrunde wurde das Projekt nicht grundsätzlich infrage gestellt. Die Speuzer wollten etwa wissen, ob bestehende (Teil-)Fahrverbote auch bei Tempo 30 bleiben. Dies wurde bejaht. Auch die schon installierten Verkehrsberuhigungsmassnahmen – etwa Inseln und Poller, namentlich an der Brühlstrasse, werden bleiben.
Die meisten Voten bezogen sich auf die Küttigerstrasse. Sie ist zwar eine Gemeindestrasse, weshalb die Gemeinde theoretisch Tempo 30 verfügen könnte (anders als auf Kantonsstrassen). Aber die Küttigerstrasse ist vom Tempo-30-Projekt ausgenommen – weil es sich nicht um eine Quartierstrasse, sondern um eine Ortsverbindungsstrasse handle, erklärte Verkehrsplaner Thomas Belloli, der diese Frage schon hatte kommen sehen. Für Ortsverbindungsstrassen empfehle die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) weiter Tempo 50, damit der Verkehr abfliessen kann.
Das sorgte bei den Anwesenden für Unverständnis. Das Pendant drüben in Küttigen, die Brandackerstrasse, habe nämlich Tempo 30. Und die Aussage des Leiters Bau/Planung, David Fiore, wonach es sich um einen «rein technischen, sicher nicht politischen Entscheid» handle, wurde insbesondere vom ehemaligen Dorfarzt Andreas Waldvogel nicht hingenommen. «Das ist ganz klar ein politischer Entscheid! Gerade bei der Schule wird die Verkehrsberuhigung nicht umgesetzt.» Das Projekt solle daran nicht scheitern, er erwarte aber, dass die Küttigerstrasse in einer zweiten Phase nochmals angeschaut werde.
Kritisiert wurde auch, dass in die Küttigerstrasse mehrere Quartierstrassen münden, die Rechtsvortritt haben. Ortsunkundigen sei dies gar nicht bewusst – ob man diesen Quartierstrassen den Vortritt nicht entziehen und «Haifischzähne» montieren könne, wollte ein Speuzer wissen. «Wir wissen, dass auf der Küttigerstrasse tendenziell zu schnell gefahren wird», so David Fiore. «Die Rechtsvortritte sollen dem entgegenwirken, indem die Bremsbereitschaft erhöht werden muss.»
Im Zuge der Baulanderschliessung, so gaben die Gemeindebehörden zu verstehen, werde immerhin das Trottoir an der Küttigerstrasse in den nächsten Jahren nach und nach ausgebaut. Bislang ist es nur auf rund der Hälfte der Strassenlänge vorhanden. «Wenn sich die Situation aber nicht bessert, verschliessen wir sicher nicht die Augen», versprach Gemeindepräsidentin Monika Schenker. Tempo 30 sei in allen Gemeinden eine sehr emotionale Sache. «Aber wir sind überzeugt, dass die Vorlage ein breit abgestützter, guter Kompromiss ist – auch bezüglich Kosten.»