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Die Politiker haben klar Ja gesagt zur Kreisschule Aarau-Buchs. Doch aus dem Volk ist zwei Wochen vor der Abstimmung immer mehr Skepsis zu spüren. Franziska Graf-Bruppacher und Anton Kleiber über die grösste Schulfusion im Aargau.
Franziska Graf-Bruppacher: Die Schule ist stets ein sehr emotionales Thema. Jeder fühlt sich angesprochen, ob als Schüler oder als Mutter oder Vater eines schulpflichtigen Kindes. Für einen demokratischen Entscheid ist eine umfassende öffentliche Diskussion wertvoll.
Anton Kleiber: Wir von der Projektsteuerung haben damit gerechnet, dass die Abstimmung sehr emotional wird. Wie hoch die Wellen schlagen, hängt immer auch von den Leuten ab, die auf der Gegenseite stehen und wie stark es ihnen gelingt, das Thema aufzubauschen.
Kleiber: Jedes Argument hat seine Berechtigung. Ich verstehe die Ängste und die Bedenken, die es in der Bevölkerung gibt. Für uns ist es wichtig, dass sich möglichst viele mit der Vorlage auseinandersetzen.
Der 54-Jährige ist Schulleiter Dietikon ZH. Er ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 19, 17 und 14 Jahren. Kleiber arbeitete früher am KV Aarau und war Ausbildungsleiter im Jugendheim Aarburg. Der Freisinnige ist ein Ur-Buchser. Vor der Wahl in den Gemeinderat gehörte er der Schulpflege und dem Einwohnerrat an.
Kleiber: Es gibt Leute, bei denen ich den Eindruck habe, sie hätten die Vorlage noch nicht wirklich verstanden. Sie haben sehr pauschale Ängste. So hört man etwa von Eltern, dass ein Primarschüler aus dem Aarauer Zelgli nach Buchs in die Schule müsse – was natürlich nicht stimmt.
Kleiber: Es schürt Ängste, wenn fälschlicherweise behauptet wird, die ganze Schule werde umgekrempelt. Weil die Bildung der Kreisschule primär auf der oberen Ebene Anpassungen erfordert, betreffen für normale Lehrpersonen die Veränderungen nur einen kleinen Bereich.
Die 46-Jährige bezeichnet sich als Familienfrau (zwei Kinder im Alter von 17 und 20 Jahren), Störbuchhalterin und Kinesiologin. Die Sozialdemokratin wohnt im Stadtteil Rohr und gehört dem Stadtrat Aarau seit 2014 an. Seit 2012 ist sie Mitglied des Grossen Rates.
Graf: Ich wünsche mir, dass Sachargumente die zentrale Rolle spielen. Darum führen wir eine Reihe von Informationsanlässen durch. Wir möchten informieren. Wenn ich mir die Argumente der Gegenseite anhöre, denke ich, würden sie dereinst erschrecken, wenn ihnen klar würde, was eine Ablehnung für Folgen hätte.
Graf: Der Gegenseite sollte bewusst sein, dass sich die Schulen am meisten verändern, wenn die neue Kreisschule abgelehnt wird. Bei einem negativen Entscheid wären die Eltern aus Rohr am stärksten betroffen: Ihre Kinder müssten dann sehr wahrscheinlich während der Oberstufenzeit an einem anderen Ort in die Schule gehen. Die Gegenseite, im alten Aarau, macht sich kaum Vorstellungen, was es bedeuten würde, wenn 400 Rohrer Kinder in die Schule Aarau integriert werden müssten.
Graf: Die meisten wollen keine Veränderungen – und das können wir ihnen nicht bieten. Denn der Prozess, der nun zur Abstimmung über die Kreisschule Aarau-Buchs führt, begann am 1. Januar 2010 – mit der Fusion von Rohr und Aarau.
Graf: Der Stadtrat hat einen Grundsatz: Alle Aarauer sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben. Das heisst: Stimmberechtigte haben die gleichen Einflussmöglichkeiten in den Schulgremien, Schüler das gleiche Schulangebot und Eltern zahlen gleiche Elternbeiträge, wie etwa bei der Musikschule. Das wäre bei einer Vertragslösung nicht gewährleistet. Aarau hätte an der Oberstufe Buchs nichts zu sagen und umgekehrt.
Kleiber: Wir hätten dann neu das heutige Aarauer Problem. Bei einer Vertragslösung müssten wir möglicherweise Buchser Kinder nach Rohr schicken. Das Angebot der dortigen Schule definiert die Schule Aarau – wir hätten nichts zu sagen.
Kleiber: Das könnte man so verstehen – aber eine Gemeindefusion ist nicht die Absicht des Gemeinderates. Wir haben immer klar gesagt, dass wir nur punktuell zusammenarbeiten wollen. Bei der Schule würden sowohl Buchs als auch Aarau profitieren.
Graf: Die Zusammenarbeit zwischen Buchs und Aarau läuft absolut auf Augenhöhe. Wir sind sehr partnerschaftlich und gleichberechtigt unterwegs.
Kleiber: Wenn ich gemerkt hätte, dass Buchs zu Kreuze kriechen muss, wäre ich der Erste gewesen, der dem Gemeinderat einen Ausstieg aus den Verhandlungen empfohlen hätte. Wir haben überall immer paritätisch zusammengearbeitet. Aarau hätte sagen können: «Wir sind grösser und haben mehr Schüler.» Das hat die Stadt aber nicht getan.
Graf: Auf den Stufen Kindergarten und Primarschule gibt es einen Grundsatz: Kinder sollten möglichst kurze und sichere Schulwege haben und in den Quartierkindergarten und das Quartierschulhaus gehen können. Wohnt jemand zwischen zwei Schulhäusern, ist eine Zuteilung zum einen oder zum anderen möglich. Das entspricht nicht immer dem Wunsch der Eltern, ist aber vom Platz im Schulhaus und von der Anzahl Kindern im Quartier abhängig. Dieser Grundsatz gilt heute und wird weiterhin gelten. Die Länge der Wege verändert sich kaum.
Graf: Da ist es möglich, dass sich die Schulwege verändern. Wichtig ist, dass die Schüler nicht alleine, sondern in Gruppen in ein Schulhaus eingeteilt werden. Heute gehen die Erlinsbacher, Bibersteiner und Küttiger Kinder in Aarau in die Bezirksschule. Das ist weit. Soweit werden es weder die Buchser noch die Aarauer Oberstufen-Schüler haben.
Kleiber: Die Schule lebt. Wenn wir schon jetzt viel festgelegt hätten, wäre die Schule in der Weiterentwicklung eingeschränkt. Das wollten wir nicht. Wir gehen davon aus, dass die Mitglieder der künftigen Schulgremien vernünftige Leute sind, die zum Wohl der Schule, der Schüler und der Eltern entscheiden. Das Verbindliche ist in den Satzungen festgehalten.
Graf: Die Gegenseite geht davon aus, dass alles, was jetzt nicht festgeschrieben ist, später sowieso falsch gemacht wird. Die Zukunft der Schule ist genauso voraussehbar, wie die der Stadt – wichtig ist es, politische Instrumente zu haben, um auf Veränderungen reagieren zu können. Diese stehen weiter zur Verfügung.
Kleiber: Betrachten wir die Schulsozialarbeit. Da wäre es grundsätzlich möglich, dass man anfänglich sowohl mit dem Aarauer als auch dem Buchser System weiterarbeitet und später Anpassungen macht. Das sollen die Schulpflege und die Schulleitung entscheiden. Solche Auseinandersetzungen gehören in den operativen Bereich. Das ist Tagesgeschäft, bei dem die Lehrer dann auch eine Mitsprachemöglichkeit haben werden.
Graf: Sonderpädagogik wird in der ganzen Kreisschule, in beiden Gemeinden, integrativ angeboten. Und zusätzlich auch separativ – in gesonderten Klassen. Diese wird es aber nicht in jedem Schulhaus geben. Das ist schon heute so.
Kleiber: Beide Schulen sind von ihrem heutigen System überzeugt, aber sie sehen auch, dass es beides braucht: integrativ und separativ. Das wäre für mich ein pädagogischer Mehrwert der Kreisschule.
Kleiber: Zur Frage der Lehrer: Die Schule hat immer das Gefühl, sie sei etwas Spezielles. Das erlebe ich auch in meiner Arbeit als Schulleiter. In der Privatwirtschaft ist es nicht erlaubt, als Angestellter öffentlich eine andere Meinung zu vertreten als die des eigenen Unternehmens. Beide Schulpflegen haben klar kommuniziert, dass Lehrpersonen aber als Privatpersonen Stellung nehmen dürfen. Als Buchser oder Aarauerin stehen ihnen sämtliche demokratischen Mittel der Mitwirkung offen. Im Namen der Schule kommuniziert jedoch einzig die Schulpflege.
Graf: Sie darf als Gremium ihre eigene Meinung haben.
Kleiber: Ich weiss es nicht. Wir haben wirklich versucht, die Lehrer in den Prozess mit einzubeziehen. Die Schule hat in allen Fachgremien mitgearbeitet. Sie konnte ihre Vertreter selbst aussuchen. Und es gab Informationsveranstaltungen für die Lehrpersonen ...
Graf: ... in Aarau kamen zehn Lehrpersonen.
Kleiber: Da fühlte ich mich nicht ernst genommen. Ich habe noch kein Projekt erlebt, in dem man so offen und transparent informiert hat. Wir wären sehr erpicht darauf gewesen, von den Lehrpersonen kritische Fragen zu hören – damit wir die Anliegen in den Prozess hätten einfliessen lassen können. Das hat leider nicht stattgefunden.
Graf: Wir haben den Lehrerinnen und Lehrern angeboten, dass wir für Gespräche zu ihnen in das Lehrerzimmer kommen. Es kam keine Einladung. Wenn sie sich von Anfang an eingebracht hätten, hätten die Lehrpersonen ihre Traumschule mitgestalten können.
Graf: Bei mir melden sich Lehrpersonen, die die Kreisschule toll finden. Sie sagen: Es tut mir leid, wie geredet wird – nur trauen sie sich nicht, das öffentlich zu erklären.
Kleiber: Ich behaupte, die Lehrerschaft ist kein geschlossen negativer Block.
Graf: Sie wussten, zu was sie Ja sagten. Das Geschäft hat die Einwohnerräte extrem interessiert. Es kamen stets sehr viele Interessierte an die Info-Veranstaltungen.
Kleiber: Bei uns in Buchs war es ähnlich. Die Diskussionen fanden statt – und waren auch sehr kritisch. Es ist ja auch nicht einfach alles positiv.
Graf: Jeder Einwohnerrat weiss, dass die Schule ein Riesenthema ist. Auch, weil sie der grösste Brocken im städtischen Budget ist.
Graf: Zu 100 Prozent – soweit man das zum heutigen Zeitpunkt kann. Die Gemeinde Küttigen ist auch eingeladen worden, sich zu überlegen, ob sie nicht auch auf den Kreisschul-Zug aufspringen will. Wir haben gemeinsam mit Küttigen die Schülerzahlen und den Schulraum geprüft. Gemäss Auskunft des Gemeinderates Küttigen können wir nicht damit rechnen, dass für uns in Küttigen Schulraum zur Verfügung steht. So oder so ist vorgesehen, dass die Kreisschule Aarau-Buchs entweder auf Schulgeld-Basis Kinder aus anderen Gemeinden aufnehmen kann oder sich weitere Gemeinden anschliessen können.
Graf: Wir als Stadt- und Gemeinderat können das nicht sicherstellen. Zuständig sind die Schulpflege und der Kreisschulrat. Für extreme Fälle kann das Referendum und/oder das Behördenreferendum durch den Stadt- oder den Gemeinderat ergriffen werden.
Kleiber: Wenn ein Einwohnerrat den Eindruck hat, er habe zu wenig Einfluss, dann kann er sich in den Kreisschulrat wählen lassen. Der Kreisschulrat wird – wie heute die Schulpflege – vom Volk gewählt. Zudem haben wir ein Koordinationsgremium, dem die Schulpflege sowie der Stadt- und der Gemeinderat angehören. Das Gremium bespricht die finanziellen Auswirkungen von grossen Entscheiden – im Vorfeld der Debatte im Plenum des Kreisschulrates.
Graf: Ganz genau.
Kleiber: Es ist immer gefährlich, wenn man von Optimierung spricht. Dann hat man das Gefühl, man wolle sparen. Darum geht es hier nicht. Wir wollen primär die Organisationsform optimieren. Spareffekte können dann eintreten, wenn man gemeinsam wächst.
Graf: Für mich steht fest: Die Kreisschule Aarau-Buchs ist eine sehr gute, zukunftsgerichtete Lösung.