Aarau
Unglücklicher Pferdekauf: Verletztes Knöchelchen einer Stute bringt Züchter vor Gericht

Eine Reiterin hält den Kaufvertrag ihrer Stute wegen eines gebrochenen Pferdeknöchelchens für nichtig. Beim Kauf wurde damals auf eine Ankaufsuntersuchung verzichtet.

Ueli Wild
Drucken
Rechtsstreit statt Ankaufsuntersuchung: Die gekaufte Stute war seit mehr als sechs Monaten chronisch verletzt gewesen. (Symbolbild)

Rechtsstreit statt Ankaufsuntersuchung: Die gekaufte Stute war seit mehr als sechs Monaten chronisch verletzt gewesen. (Symbolbild)

Knatsch um Geld im Western-Reiter-Milieu: Ein kleiner Knochen brachte einen Quarterhorse-Züchter vor das Bezirksgericht in Aarau. Als Klägerin trat eine elegant gekleidete junge Frau aus dem Kanton Bern auf.

Vor vier Jahren hatte ihr Vater der damals noch minderjährigen Gymnasiastin eine vierjährige Stute gekauft. Wendy Bauer (inzwischen 21, Name geändert) wünschte sich ein Pferd, mit dem sie Reining-Turniere bestreiten konnte.

Reining ist quasi die Western-Variante dessen, was bei der klassischen englischen Reitweise Dressur genannt wird. Typisch fürs Reining sind spektakuläre Manöver wie Sliding Stops, bei denen das Pferd mit der Hinterhand fast am Boden aufsetzt, und schnelle Drehungen, die man Spins nennt.

Ein für all das ausgebildetes Pferd kaufte Wendy Bauers Vater bei Eligius Reich (damals 43, Name geändert). Ein Inserat hatte Vater und Tochter auf Reichs Ranch gelockt. «Dreamer’s Hope» (Name geändert) tat es schliesslich Wendy an. Sie habe die Stute zwei, dreimal auf Probe geritten, sagte die junge Frau vor Gericht.

«Nur leichte Manöver» seien das gewesen. Als Reining-Anfängerin habe sie bloss «geschaut, ob es funktioniert zwischen uns». Auf Nachfrage des Vaters habe es geheissen «Dreamer’s Hope» sei gesund und «ready to go». «Wir haben das geglaubt», sagte die Klägerin. Und auf die Frage, weshalb die Käuferschaft auf die übliche Ankaufsuntersuchung verzichtet habe, räumte sie ein: «Wir dachten, wir könnten uns das Geld sparen.»

Geld zurück verlangt

Dafür kam es zum Zivilprozess am Bezirksgericht. Denn Wendy Bauer will den Kaufvertrag aufgelöst wissen und das Geld zurück. In zwei Raten hatte ihr Vater vor vier Jahren 15 000 Franken bezahlt. Am Anfang schien alles gut zu sein.

Doch die Trainerin, die das Pferd auf Reichs Ranch, wo es nach dem Kauf blieb, zuerst betreute, habe es zu wenig gefordert, liess die Klägerin vor Gericht durchblicken. «Es ging mir einfach zu wenig vorwärts.» Also wurde die Trainerin ausgewechselt.

Die Neue forcierte nun die Stute im Training. Und etwas fiel ihr bald auf: Bei den fliegenden Galoppwechseln hatte «Dreamer’s Hope» Mühe. «Mir schien», sagte sie als Auskunftsperson vor Gericht, «dass hinten etwas nicht stimmte.»

Es wurden dann Röntgenbilder gemacht. Zum Vorschein kam eine Gleichbeinfraktur. Die Gleichbeine, pyramidenförmige Knöchelchen, befinden sich an der Hinterseite des Fesselkopfs. Sie dienen als Auflage für Sehnen. Laut einem Gutachten war die Stute seit mehr als sechs Monaten und – damit auch zum Zeitpunkt des Kaufs – chronisch verletzt gewesen.

Die Trainerin bestätigte gegenüber Gerichtspräsidentin Patricia Berger, dass sie damals zum Schluss gekommen sei, die Stute sei als Turnierpferd nicht geeignet. Als solches hatte man sie aber gekauft. Die Konsequenz davon: Das Kapitel «Dreamer’s Hope» war beendet. Wendy ging nicht mehr zur Ranch – und erwartete das Geld zurück.

Verkäufer Reich sagte vor Gericht, er habe angeboten, die Stute für 5000 Franken zurückzunehmen. Wendy und ihrer Familie genügte das nicht. Man nahm einen Anwalt und ging zivilrechtlich gegen Reich vor.

Der warf Wendy im Gegenzug Pfändungsbetrug vor. Dieses Strafverfahren am Regionalgericht Emmental-Oberaargau ist sistiert. Es solle erst abgewartet werden, wie das zivilgerichtliche Verfahren in Aarau ausgehen würde, entschied man in Burgdorf.

Die Klägerin und ihr Vater seien in die Irre geleitet worden, erklärte Wendy Bauers Anwalt. Weder über einen früheren Weideunfall, noch über die Gleichbeinfraktur habe Reich die Käuferschaft informiert. «Nach Treu und Glauben hätte er dies aber tun müssen.»

Falls er von den Vorkommnissen Kenntnis gehabt habe, liege eine arglistige Täuschung vor. Wendy hatte bei der Parteienbefragung schon die Vermutung geäussert, dass die erste Trainerin angewiesen worden sei, das Pferd nicht hart zu trainieren, weil das Ganze sonst auffliegen könnte.

Für Reich war klar: «Der Verzicht auf eine Ankaufuntersuchung ist auf eigenes Risiko erfolgt.» Der erwähnte Weideunfall sei im Übrigen nicht bei ihm passiert. Das müsse auf der Fohlenweid oder während der Ausbildung im Ausland gewesen sein.

Von seinen Tierärzten erhalte er bloss Sammelrechnungen. Wegen Bagatellen werde er nicht benachrichtigt. Dass er von der Gleichbeinfraktur gewusst und jemanden getäuscht habe, bestritt er und drehte den Spiess um: «Dreamer’s Hope» sei für den Sport ausgebildet gewesen, doch wäre es zum Zeitpunkt des Verkaufs nötig gewesen, die noch fehlende Kondition aufzubauen.

Der forschen zweiten Trainerin warf er vor, unvorsichtig vorgegangen zu sein. Die Stute sei, wie Bilder zeigten, schon bald und ohne dass die Muskeln genügend aufgebaut gewesen seien, bei hohen Tempi auf Null gebremst worden. Eine Gleichbeinfraktur könne bei einem jungen Pferd als Ermüdungsfolge auftreten. Eventuell sei eine nicht erkannte Verletzung mit dem forcierten Training akut geworden.

Der Verkäufer sagte auch, dass er wohl kaum auf eine Ratenzahlung eingegangen wäre, wenn er um die Gleichbeinfraktur gewusst hätte. Im Übrigen sei die Behauptung, dass die Stute für den Reining-Sport nicht geeignet sei, widerlegt. Er habe sie, nachdem Wendy nichts mehr von ihr habe wissen wollen, auf eigene Rechnung operieren lassen und dann weiterverkauft. 2017 habe «Dreamer’s Hope» «mehrere Turniere mit hohen Scores» gewonnen.

Keine Vergleichsverhandlung

Die Gerichtspräsidentin erkundigte sich bei den Parteien nach der Bereitschaft, in eine Vergleichsverhandlung einzutreten. Während Reich erklärte, er sei stets zu einem Vergleich bereit gewesen, lehnte der Klägeranwalt einen solchen unter Verweis auf das Burgdorfer Strafverfahren gegen seine Mandantin ab.

Das Aarauer Verfahren beeinflusse jenes in Burgdorf. Er stellte dafür den Antrag, weitere Personen zu befragen – so auch die erste Trainerin. Diese befindet sich dem Vernehmen nach für längere Zeit in Amerika. Die Richterin machte jedoch klar, dass das Beweisverfahren, in dessen Verlauf man Beweisanträge stellen könne, abgeschlossen sei. Ein Wiedererwägungsgesuch lehnte sie ab.

Das Urteil, das den Parteien schriftlich mitgeteilt wird, steht noch aus.