Lenzburg
Sieg für Hotel- und Bäckereiangestellten – streitbarer Chef muss Lohn nachzahlen

Es ging um den Fall eines ehemaligen Hotel/Bäckerei-Angestellten. Der streitbare Chef erlitt nun eine Niederlage vor dem Arbeitsgericht Lenzburg.

Urs Helbling
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Ein Kurzzeit-Angestellter einer Bäckerei bekam vor dem Arbeitsgericht Lenzburg recht.

Ein Kurzzeit-Angestellter einer Bäckerei bekam vor dem Arbeitsgericht Lenzburg recht.

KEYSTONE/STEFFEN SCHMIDT

Die AZ hat schon oft über den Unternehmer, seine Firmen und seine Rechtsstreitigkeiten berichtet. Zuletzt, weil er sein Hotel und seinen «Concept-Store» (Kombination Bäckerei/Restaurant) in Suhr schloss. Den Betrieb, in dem eine Prostituierte während des Lockdowns mindestens sechs Freier bedient hatte und deswegen zu 1100 Franken Busse verurteilt worden ist.

Dieser Unternehmer war jetzt Teil eines Zivilprozesses. Ein 30-jähriger Kurzzeit-Angestellter (ehemalig) war der Ansicht, der 50-Jährige habe nicht den ganzen, ihm zustehenden Lohn bezahlt. Er bekam vom Arbeitsgericht Lenzburg teilweise recht. Der Unternehmer muss ihm 1380.20 Franken nachzahlen (zuzüglich 5% Zins). Dem Angestellten ist das zu wenig. Er hat bereits den Weiterzug des Verfahrens angekündigt.

Gegenforderung von 1200 Franken abgelehnt

Der Unternehmer hatte nicht nur das Guthaben bestritten, sondern auch eine Gegenklage eingereicht. Grund: Der Angestellte habe durch grobfahrlässiges Verhalten beim Pizzaofen einen Brandalarm ausgelöst. Das sah das Gericht anders. Der Angestellte muss die eingeforderten 1200 Franken nicht zahlen.

Gar nicht erst eine Forderung gestellt hatte der Unternehmer wegen Reputationsschadens. Der Angestellte hatte im «Blick» (4. und 5.7.2019) auf angebliche Missstände aufmerksam gemacht. Die Artikel waren unter den Titeln «Ex-Angestellte im Clinch mit Aargauer Hotel: Lohn gekürzt, weil die Zimmer dreckig waren» und «Jetzt auch noch falsche Bio­produkte: Aargauer Gastro-Kette tischt Märchen auf» erschienen.

«Ich mag nicht mehr mit jedem streiten»

Die Verhandlung dauerte, mit Unterbrüchen, fast drei Stunden. Es waren zwei Anwälte zugegen. Der Unternehmer hat eine Reihe von ähnlichen Verfahren am Hals. Im Verlaufe des Nachmittags sagte er irgendwann: «Ich mag nicht mehr mit jedem streiten.» Er habe einmal den Fehler gemacht, in einem Vergleich 10'000 Franken zu viel bezahlt zu haben. Dies habe die Runde gemacht, jetzt kämen alle. «Die Forderungen werden immer dreister», sagte er an die Adresse seines Ex-Angestellten. «Im Normalfall würde ich Anzeige wegen Betrugs machen.»

Was die Aufgaben und die Leistung des Angestellten anbetraf, so blieb am Prozess vieles unklar. Fest steht: Er sollte als «Supervisor» etwa ein halbes Dutzend Angestellte führen und selber anpacken. Klar ist weiter: Der Betrieb war zum Zeitpunkt des Eintritts des Angestellten in einem schwierigen Zustand – es gab sogar eine Anzeige-Androhung des Amtes für Verbraucherschutz (Lebensmittelkontrolle). Es gehörte darum zu den Aufgaben des Angestellten, die entsprechenden Mängel zu beheben.

Pro Tag über 16 Stunden gearbeitet?

Ob er für all diese Pflichten genügend personelle Mittel hatte, ob die Infrastruktur (etwa die Waschmaschinengrösse) den Anforderungen entsprach, ob der Betrieb gut organisiert war – all das war umstritten. Der Angestellte machte geltend, er habe gekämpft, eine extrem hohe Präsenzzeit gehabt. Er machte für die Zeit eines Monats 447,1 geleistete Stunden geltend. Über 16 Stunden pro Tag – das liess dann auch das Gericht nicht gelten («nicht nachvollziehbar»).

Abgemacht war ein Lohn von 4200 Franken. Ausbezahlt worden sind 2600 Franken. Die Differenz wird der Unternehmer wohl nachzahlen müssen, wenn irgendwann ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Der Unternehmer hat eh bereits viel verloren. In den besten Zeiten beschäftigte er in der Gastro- und Hotelkette, um die es vor Arbeitsgericht Lenzburg ging, 70 Mitarbeiter. Jetzt sind es nur noch 15.