Der Aargau ist ein Eldorado für Salons, Etablissements, Clubs oder einfach Betriebe, die sexuelle Dienstleistungen anbieten. Das bringt es mit sich, wenn man nicht nur Autobahnkanton genannt wird, sondern auch einer ist. Super fürs Marketing ist das, die Clubs werben so auch mit der Nähe zur Autobahn und grossem Parkplatzangebot – auch für LKWs.
Zwei Organisationen arbeiten im Kanton in direktem Kontakt mit Sexarbeitenden: Die SEGES (Sexuelle Gesundheit Aargau) und die Kapo (Kantonspolizei Aargau). Gerade mal etwas über drei Vollzeitstellen können dafür eingesetzt werden. Die SEGES bietet mit rund 20 Stellenprozenten aufsuchende Infos und Tests für sexuelle übertragbare Krankheiten. Die Kapo kontrolliert mit knapp drei Vollzeitstellen die Arbeitsbedingungen und die ausländerrechtlichen Voraussetzungen der Frauen. Recht wenig, um die 130 registrierten Betrieben mit rund 400 Mitarbeitenden zu prüfen, unterstützen und beraten. Der konservative Aargau ist eben nicht nur auf seine Autobahnen stolz, sondern auch auf das kleinste Polizeikorps im Verhältnis zur Wohnbevölkerung. Der Grosse Rat hat unlängst zusätzliche Stellen für die Bereiche Menschenhandel und Cyber gesprochen. Damit kann mehr Zeit in die aufwendige Ermittlungsarbeit investiert werden. Das ist gut.
Jedoch Obacht: Sexarbeit ist nicht gleich Menschenhandel. Sexarbeit ist Arbeit und legal, Menschenhandel ist ein schweres Delikt. Es gibt Frauen, die sich für Sexarbeit entscheiden und selbstbestimmt arbeiten. Sie entscheiden, wen sie bedienen, welche Praktiken sie anbieten und verfügen über ihr Einkommen selbst. Vielleicht gefällt ihnen der Beruf, vielleicht schätzen sie die Flexibilität, vielleicht bietet ihnen der Arbeitsmarkt keine anderen Optionen. Frauen entscheiden zu sich zur Migration und für die Sexarbeit aufgrund von globalen Ungerechtigkeiten, fehlenden Sozialsystemen, gesellschaftlichen Ungleichheiten und Armut. Für viele Frauen ist Sexarbeit die einzige Möglichkeit, um für sich und ihre Familien zu sorgen. Eine ideale, gerechte, leider utopische Welt, würde ihnen viele Alternativen bieten.
Es gibt Bestrebungen, Sexarbeit mit einem Sexkaufverbot zu verhindern. Für jene, die eine solches Verbot fordern, ist Sexarbeit nie selbstbestimmt. Einmal mehr wird den Frauen vorgeschrieben, was gut und recht ist. Aber: Ein Verbot schafft Sexarbeit nicht ab. Ein Verbot schafft weder Gewalt noch Armut ab. Es verschlechtert nur die Arbeitsbedingungen und damit die Sicherheit. Frauensolidarität sieht anders aus. Es ist ein heuchlerischer Feminismus, welche die Schwächsten schwächt und stigmatisiert. So hat eine Sexarbeiterin kürzlich zu einer Beraterin der FIZ (nationale Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration) gesagt: «Ich bezahle Steuern, wie alle anderen. Ich bezahle für meine Versicherungen, wie alle andern. Aber treffe ich mich mit Freundinnen zum Essen, kann ich nicht über meine Arbeit reden. Wenn ich das mache, werde ich diskriminiert.»
Sexarbeit findet statt. Nicht nur im wilden Zürich – sondern auch im drögen Aargau. Die Frauen dürfen nicht noch unsichtbarer werden und weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Sie brauchen Beratung bei ausländer-, ehe- und arbeitsrechtlichen Problemen, sie brauchen Sozialversicherungen und Altersvorsorge und sie brauchen dieselben Rechte wie alle anderen.
Wir brauchen auch im Aargau ein niederschwelliges, aufsuchendes Beratungs- und Unterstützungsangebot für Sexarbeitende.