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Viele Eltern betreuen ihre Kinder auf Bitten der Institutionen selbst – den Kita-Platz müssen sie trotzdem bezahlen. Das sorgt für Unmut.
In der Spielvilla im Aarauer Schachen ist es leise geworden. Wo sonst täglich 24 Kleinkinder in der Kita und bis zu 40 Kinder im Hort betreut werden, sind es jetzt noch je zwei bis drei Kinder. Es herrscht Ausnahmezustand.
Während Schulen und Kindergärten geschlossen sind, sind Kindertagesstätten und Horte noch immer offen. Kantone haben für Kinder, die nicht privat betreut werden können, für Betreuungsangebote zu sorgen. So hat es der Bundesrat verordnet. Gleichzeitig bitten die Kitas darum, das Betreuungsangebot nur im Notfall zu nutzen.
Das sorgt für Verwirrung. Viele Eltern betreuen die Kinder aus Solidarität daheim, zerreiben sich zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung – und dann flattert die Rechnung für den Betreuungsplatz ins Haus und es stellt sich die Frage: Muss man für etwas bezahlen, das man aus Solidarität nicht nutzt?
«Die Beiträge sind gerade ein Riesenthema», bestätigt Natascha Wertli. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung und stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins Erziehung und Bildung (VEB), der Betreuungseinrichtungen in Aarau (Spielvilla, Clubhaus Telli), Wohlen, Erlinsbach und Lenzburg führt. «Wir wissen, dass die Betreuungskosten für viele Eltern ein grosser Brocken im Haushaltsbudget sind. Gleichzeitig sind wir auf die Beiträge angewiesen, weil wir Personal und weitere laufende Kosten zahlen müssen.»
Rechtlich gesehen ist der Fall klar: «Grundsätzlich gilt die Betreuungsvereinbarung und die Module müssen bezahlt werden», so Wertli. Das bekräftigt Prisca Mattanza, Mediensprecherin von kibesuisse, dem Verband Kinderbetreuung Schweiz: «Dieser freiwillige Verzicht ist ein solidarischer Akt, der Eltern keinesfalls von ihrer Pflicht befreit, die regulären Elternbeiträge zu bezahlen. Wir sind alle darauf angewiesen, dass Betreuungsinstitutionen auch nach der Coronakrise zur Verfügung stehen.» Laut Wertli laufen aktuell aber Abklärungen für Lösungen, die sowohl den Eltern entgegenkommen, als auch die Kita-Betriebe sichern. «Wir hoffen auf rasche, unbürokratische Entscheide aus Politik und Wirtschaft.»
Weiter zählen dürfen die Aarauer Eltern auf die regulären Subventionsbeiträge. «Solange die Eltern die Rechnungen bezahlen, zahlen wir ihnen auch die Subventionen», sagt Stadträtin Franziska Graf-Bruppacher. Kein Thema sei bislang, dass sich die Stadt darüber hinaus an den Elternbeiträgen beteilige. Als Vergleich zieht Graf einen Leasing-Vertrag heran: «Wer aktuell seinen geleasten Wagen nicht ausfahren kann, kann nun auch nicht bei der Bank um eine Ermässigung der Leasinggebühr bitten.»
Weniger definitiv tönt es aus Baden, wo die Stadt gestern mittels Elternbrief (auch namens der Gemeinden Obersiggenthal, Ennetbaden und Wettingen) mitgeteilt hat: «Inwiefern sich die öffentliche Hand über die Subventionierung hinaus an Elternbeiträgen für nicht bezogene Betreuungsleistungen beteiligen kann, wird die Stadt Baden in den nächsten Wochen zusammen mit dem Kanton und den anderen Gemeinden klären.»
Beim kantonalen Departement Gesundheit und Soziales heisst es auf Anfrage, die Fachstelle Alter und Familie habe das Thema aufgenommen. «Ob in absehbarer Zeit eine Lösung auf kantonaler Ebene entwickelt werden kann, können wir jetzt noch nicht sagen», so DGS-Sprecherin Jelena Teuscher.
Die Arbeit geht dem Personal des VEB übrigens nicht aus. Nicht nur, weil die verbliebenen Kinder in möglichst kleinen Gruppen betreut werden. Wertli: «Wir stehen in Aarau beispielsweise in Kontakt mit der Hirslanden Klinik und dem KSA und haben Hilfestellung angeboten, die Kinder des Klinikpersonals zu betreuen.»