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Seit 30 Jahren wirten Barbara und Hansueli Zuber in Oberentfelden in der jahrhundertealten «Mühle».
Acht Pendeluhren stehen auf Regalen, der Wand entlang verteilt. Alle laufen. Aber zur vollen Stunde schlägt nur eine. Hansueli Zuber lacht. «Das ist sinnbildlich für die letzten Jahre», sagt er. 30 Jahre, in denen alles läuft und doch immer irgendwo etwas klemmt, etwas aus dem Takt gerät, etwas besonderes Augenmerk braucht. «Auch mit Momenten, in denen wir glaubten, es geht nicht mehr weiter. Und doch ging es immer.»
30 Jahre also. So lange ist es her, seit sich Hansueli und Barbara Zuber trauten, das Restaurant zur Mühle in Oberentfelden zu übernehmen. Und 30 Jahre, in denen sie diesen Schritt nie bereut haben.
1991 verliebten sich die beiden Hals über Kopf in das historische Gebäude mitten im Dorf. Frisch von der Hotelfachschule, mit 24 Jahren und nicht mehr als 5000 Franken im Sack, pachteten sie das Haus und stürzten sich in die Arbeit, krampften Tag und Nacht, teilten sich gar mit ihren Angestellten eine winzige Wohnung im Dachgeschoss. Ihr Motto: «Erst einen Franken verdienen, bevor man 90 Rappen ausgibt.» Nach eineinhalb Jahren zahlten sich Fleiss und Verzicht aus: Die Zubers kauften die «Mühle». Ihnen war vom ersten Moment an klar gewesen: Dieses Haus würden sie nicht mehr hergeben.
Die «Mühle» ist etwas ganz Besonderes. Wie alt sie tatsächlich ist, ist unklar. Aber erstmals urkundlich erwähnt wird sie 1238, vor 782 Jahren also, als noch tiefstes Mittelalter herrschte. Als echte Mühle in Betrieb war sie bis 1958. Das Alter merkt man dem Haus an, die Jahrhunderte haben ihre Spuren hinterlassen, haben es an allen Ecken und Enden verzogen, seine Balken gekrümmt. Die Geschichte des Hauses halten die Zubers hoch, sie tragen ihm Sorge. «Dieses Haus hat eine Seele. Wenn wir gut zu ihm sind, ist es gut mit uns.»
Gastgeber sein, das kann man nicht lernen, sagt Hansueli Zuber. «Man ist es einfach.» Das war ihm schon bald klar, und so machte er nach einer Kochlehre und einer Zusatzlehre als Kellner mit 22 die Hotelfachschule. Als er dann mit 24 als Wirt in der «Mühle» stand, der schlaksige Zugewanderte aus Huttwil im Emmental, sei das zu Beginn nicht einfach gewesen. «Die Gäste glaubten, ich sei der Kellner», sagt er, man habe sie belächelt und ihnen höchstens zwei Jahre gegeben.
Doch Zuber baute auf Vertrauen. Und das ging auf. «Wir haben Gäste, die seit 30 Jahren zu uns kommen und noch nicht einmal in die Karte geschaut haben. Sie vertrauen darauf, dass wir ihnen das Richtige servieren. Gegenseitiges Vertrauen; es zählt in der «Mühle» mehr als alles andere. «Vertrauen ist matchentscheidend, es stärkt. Und ohne Selbstsicherheit kann man nichts wagen.»
Und gewagt haben die Zubers viel. Sie haben ausgebaut und erweitert, 180 Sitzplätze bietet das Haus heute, und vor allem in Ideen investiert, die die «Mühle» einzigartig machen: das «kleinste Restaurant der Welt» mit nur zwei Plätzen im alten Spycher nebenan. Krimi-Dinners, für die Zuber zum Bombenbastler wird. Oder ganz spezielle Rezepte, für die Barbara Zuber – seit fünf Jahren Küchenchefin und dafür mit 13Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet – auch mal eine Zigarre in die Suppe schnetzelt. Denn das ist eines der Geheimnisse der Zubers: Er hat die verrückten Ideen, sie setzt sie mit ihrem Team für den Feinschmeckergaumen um. «Ohne meine Frau wäre es nicht möglich, die ‹Mühle› so erfolgreich zu führen», sagt Hansueli Zuber.
Weitherum bekannt ist die «Mühle» aber vor allem für die Verbindung von Schweiz und Schottland, für «Swisscot». Dazu gehört nicht nur eine Sammlung mit über 300Malt-Whiskys, dazu gehören auch schottische Spezialitäten und vor allem: ein dudelsackspielendes Wirtepaar. Jahrelang haben die beiden Unterricht genommen, und wenn Hansueli Zuber den Dudelsack unter den Arm klemmt und spielt, dann schaudert’s einem, weil das so schön speziell ist.
Die 30 Jahre sind für Barbara und Hansueli Zuber wie im Flug vergangen. Weil sie die besten Gäste der Welt haben. «Und weil wir immer vorwärts geschaut haben, weil das Wirten kein Beruf, sondern unser Leben ist.» Das ist wohl auch der Grund, weshalb sich die Zubers von Corona nicht verrückt machen lassen. Zwar leiden auch sie; all die abgesagten Bankette und Weihnachtsessen schmerzen, und auch das Jubiläum nur in kleinem Rahmen gefeiert zu haben, war so nicht geplant. Aber den Kopf in den Sand stecken sie nicht, wacker planen sie einen Event nach dem andern. Für kleine Gruppen zwar, aber wer komme, sei begeistert und dankbar. «All die Jahre haben uns gelehrt, dass es immer einen Weg gibt, selbst in Zeiten wie diesen», sagt Hansueli Zuber. «Man muss sich einfach arrangieren.»
Und wenn die Zuversicht mal kurz schwindet, dann reicht den Zubers ein Blick auf ihre «Mühle», ihr Daheim: «Dieses Haus ist ein Fels in der Brandung, das schon weitaus schwierigere Zeiten erlebt hat, als die, die wir jetzt gerade durchmachen. Und es steht immer noch, stolz und unerschütterlich.»