In der Geschichte zur alten Schulhaustür in Suhr geht es um ein Flammeninferno, bockige Suhrer und gesprengte Opferschalen.
Wo sie heute steht, riecht es nach Kaffee, es ist heimelig warm. Passieren kann ihr nichts. Da, wo sie 157 Jahre lang stand, wuchert Grünzeug, da herrschen Wind und Wetter. Beim Umbau in den Neunzigerjahren wurde sie durch Fensterglas ersetzt; die alte Suhrer Schulhaustüre.
Heute hängt sie als Erinnerungsstück im Pausenraum der Gemeindeverwaltung, hinter dem Znüni-Tisch mit den Schoggistängeli, Gummibärli und Spitzbuben.
Heute lässt sich die Türe nicht mehr öffnen. Dahinter ist auch nichts als weisse Wand – und ein Wust an Suhrer Geschichten. «Es wäre schade gewesen, sie fortzuschmeissen», sagt Gemeindeschreiber Hans Huber.
So alt, wie sie ist, sieht die Tür gar nicht aus: Das Holz wirkt unbeschadet, die Türfalle nicht abgenutzt. Schwer vorstellbar, dass sich hier Generationen von Schulkindern nach dem Pausenschlag gegen die schwere Tür geschmissen haben sollen, um in die Klassenzimmer zu stürmen. Huber hat die Erklärung parat, er selbst ist noch im alten Schulhaus zur Schule gegangen: «Wir haben immer nur den Seiteneingang benutzt.» So gelangte man gleich ins Treppenhaus; hätte man den Haupteingang genommen, hätte man erst den Gang langlaufen müssen.
Es ist nicht das erste Schulhaus, das an der Tramstrasse steht. Das heutige Gebäude wurde erst 1835 gebaut. Die Geschichte des alten Schulhauses, dem sogenannten «unteren Schulhaus» ist eine traurige: Am Freitag, 22. August 1834, brach in der Nacht ein Feuer aus, das mit rasender Geschwindigkeit drei strohbedeckte Häuser erfasste. In den Aufzeichnungen von Lokalhistoriker und Alt-Lehrer Joseph Meyer aus dem Jahr 1935 steht, das alte Schulhaus und zwei Häuser auf der gegenüberliegenden Strassenseite seien nicht mehr zu retten gewesen. Beim Inferno starben eine Mutter und ihre neun minderjährigen Kinder. Ein Gerücht machte die Runde, ein Hunzenschwiler Schmied hätte das Feuer gelegt, doch das erwies sich nach einer Untersuchung des Bezirksamtes als haltlos.
Die Anteilnahme war gross und die Spendengelder flossen sogar aus Aarau nach Suhr. Das Schulhaus war für 6100 Franken versichert, die Gemeinde bekam von der Versicherung 5725 Franken ausbezahlt. Es eilte mit einem Schulhausneubau. Denn das «obere Schulhaus» am Fusse des Kirchhügels war alt und verlottert, es zog darin und genügend Platz für die Kinder war auch nicht, wie Alfred Lüthi in «Suhr im Wandel der Zeiten» schreibt. Am 8. November beschloss die Ortsbürgerversammlung den Bau eines neuen Schulhauses, am 24. Januar wurden die Baupläne für ein einstöckiges Schulhaus abgesegnet. Das aber passte dem Erziehungsrat (Kantonsschulrat) nicht; er empfahl der Gemeinde, ein zweistöckiges Haus zu bauen. Das wiederum stiess den Suhrern sauer auf: Schuhmacher Suter bodigte mit seiner Rede vor den Ortsbürgern vorerst die Empfehlung des Erziehungsrates.
Nach einigem Hin und Her und einem Schnäppchen-Angebot der Regierung, die den Suhrern 40 Tannen aus dem Staatswald in Kölliken für 15 Rappen per Schuh (rund 30 Zentimeter) überliess, lenkten die Ortsbürger ein und liessen das Schulhaus zweistöckig bauen. Baumeister Kuhn aus Suhr erstellte den Bau für 12 000 Franken. Es enthielt drei Schulzimmer im Erdgeschoss, dazu die Gemeindekanzlei, das Archiv, das Postbüro sowie Wohnstube und Küche für den Abwart. Im ersten Stock war unter anderem Platz für die Arbeitsschule und das Gemeinderatszimmer. Im zweiten Stock wurden die Kleinkinderschule und ein weiterer Raum für den Abwart untergebracht.
An den Schulhausbau knüpft sich übrigens die Entdeckung einer steinzeitlichen Höhensiedlung im Obertal: Hier fand man zwei Felsplatten mit schalenförmigen Figuren, sogenannte Opfersteine. Weil die Ortsbürgerversammlung aber beschlossen hatte, die Steine für den Schulhausbau hier zu brechen, wurden die Opfersteine gesprengt. Man hatte schlichtweg nicht gewusst, worum es sich bei den Steinen handelte.
1899 wurde das Schulhaus erstmals umgebaut, 1910 neue Toiletten und eine Zentralheizung eingebaut. 1921 wurde eine dritte Erweiterung nötig, indem der Dachstock ausgebaut wurde. In den Sechzigerjahren wurde das Schulhaus aufgegeben, weil der Lärm der Tramstrasse den Unterricht zu sehr störte. In den Jahren darauf stand es mal leer, zeitweise wurden hier Asylsuchende untergebracht, im Parterre zog die Gemeindebibliothek ein, Sitzungen wurden hier abgehalten. 1992 bis 1995 wurde das alte Schulhaus schliesslich zur Gemeindeverwaltung umgebaut.