Aarau
Richterin mildert Strafe für verbotene Bahnreise von Asylbewerber

Ein Asylbewerber, den die Polizei ausserhalb des ihm erlaubten Rayons angetroffen hatte, kam vor dem Bezirksgericht in Aarau mit einer bedingten Geldstrafe davon.

Ueli Wild
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Ein Zug ist am Bahnhof Aarau abgefahren.

Ein Zug ist am Bahnhof Aarau abgefahren.

Josua Bieler

Wäre Taye B.* damals im Intercity-Neigezug 1520 St. Gallen–Lausanne nur ein paar Minuten später in die für ihn fatale Polizeikontrolle geraten, wäre sein Fall nie beim Bezirksgericht Aarau gelandet.

Dann hätte dieser wohl das Amtsgericht Olten-Gösgen beschäftigt. So aber hatte sich der 28-jährige Äthiopier am Mittwoch vor dem Strafgericht in Aarau zu verantworten. Der Vorhalt, wie er im Juristendeutsch heisst: «Missachtung einer Eingrenzung».

Als Taye B. am 1. Mai dieses Jahres auf Höhe des Aarauer Stadtgebiets kontrolliert wurde, fand die Polizei auf dem in einer Asylunterkunft im Appenzellischen lebenden Äthiopier ein Dokument, das besagte, dass es diesem untersagt war, sich ausserhalb der fünf Gemeinden Bühler, Gais, Speicher, Teufen und Trogen aufzuhalten.

Den Rayon verlassen durfte er bloss für unumgängliche Besuche einer Amtsstelle, für die er eine schriftliche Bestätigung vorlegen konnte. Das hatte das Migrationsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden im Juni 2013 verfügt.

Am 1. Mai hatte Taye B. keineswegs im Sinn, eine Amtsstelle aufzusuchen. Den Polizisten gegenüber gestand er, dass er nach Neuenburg reise, um einen Kollegen zu besuchen.

Damit hatte sich der 28-Jährige, wie der Staatsanwalt exakt einen Monat später in seinem Strafbefehl festhielt, strafbar gemacht. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau verurteilte ihn zu einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à je 30 Franken und brummte ihm eine Strafbefehlsgebühr von 1300 Franken auf.

Nicht zum ersten Mal erwischt

Es war nicht die erste Missachtung der Rayongrenze, die sich Taye B. zu Schulden kommen liess: Ende Januar 2014 war er deswegen schon von der Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Tagen verurteilt worden.

Obschon sich Taye B. nicht bewährt hatte, verzichtete die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau auf einen Widerruf des bedingten Strafvollzugs, weil nicht zu erwarten sei, dass Taye B. weitere Straftaten begehen werde. Sie sprach stattdessen eine Verwarnung aus und verlängerte die Probezeit um ein Jahr.

Einsprache gegen Strafbefehl

Gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau legte Taye B. Berufung ein. Damit landete sein Fall beim Aarauer Strafgericht. Gegenüber Einzelrichterin Bettina Keller-Alder gab der Äthiopier am Mittwoch an, er habe gedacht, die Verfügung von 2013 gelte nicht mehr. Vom Migrationsamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden habe er ja auch die Erlaubnis erhalten, zweimal in der Woche einen Sprachkurs in St. Gallen, ausserhalb des erlaubten Rayons, zu besuchen.

Die Richterin reduzierte die Strafe auf 10 Tagessätze zu 10 Franken und gewährte Taye B. überdies den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu werden ihm die Verfahrenskosten auferlegt.

Die Eingrenzungsverfügung, so Bettina Keller-Alder bei der Urteilsbegründung, sei nach wie vor gültig gewesen und der Beschuldigte hätte sich erkundigen müssen, ob dies noch der Fall sei oder nicht. Das Verschulden sei allerdings verhältnismässig klein – und das Einkommen des 28-Jährigen auch. Von der Gemeinde erhält dieser monatlich 400 Franken.

Eingrenzung ist aufgehoben

Für die jüngste Fahrt nach Aarau brauchte der Äthiopier, dessen Rückschaffung aufgeschoben ist, keine Spezialbewilligung: Seit Juni dieses Jahres darf er sich überall in der Schweiz aufhalten. Mit einem fröhlichen «Tschau!» verliess der Krauskopf nach der Verhandlung das Bezirksgerichtsgebäude und entschwand mit schnellen Schritten Richtung Bahnhof. Falls er nach Neuenburg gewollt hätte: Den ICN 1520 hätte er an diesem Tag um wenige Minuten verpasst ...

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