Startseite
Aargau
Aarau
Ein Pfarrer und eine frühere Fussball-Torwartin im Gespräch. Kein Problem, wenn sich die Sportlerin im Rahmen ihres Germanistikstudiums auch mit Fragen der Religion beschäftigt hat und der Pfarrer ihre Fussballpassion teilt.
Der Fall war das an der vom (eigentlich nicht mehr existierenden) Verein Pro Endiveld organisierten Sonntags-Matinée im Gemeindehaus Oberentfelden mit Marisa Brunner (36) und Josef Hochstrasser (71).
Mit dem FC Sursee gewann Marisa Brunner fünfmal die Schweizer Meisterschaft. Sie spielte sechs Jahre für den deutschen Bundesligisten SC Freiburg. 2013 trat sie zurück. Heute ist sie als Mitglied der Geschäftsleitung bei der Lindenapotheke zuständig für die Kommunikation. Hochstrasser, zuerst katholischer, dann reformierter Pfarrer wurde bekannt als Autor kirchenkritischer Bücher (von «Der Kopfstand auf der Kirchturmspitze» bis zu «Die Kirche kann sich das Leben nehmen») – und mit der Biografie seines Freundes Ottmar Hitzfeld.
«Mir tut es so leid», sagte er: «Denkt man an die Katholische Kirche, denkt man an Skandale. Denkt man an die Reformierte Kirche, denkt man an etwas Graues.» Was sich die Leute oftmals nicht vorstellen könnten, erklärte der pointierte Kritiker beider Institutionen, sei das: «Ich habe beide Kirchen sehr gerne.» Die katholische, deren sinnliche Feste ihn faszinierten, habe ihm ein Fundament fürs Leben gegeben. Zur reformierten sei er gekommen, weil sie den Gewissensentscheid zuoberst stelle. Er brauche keinen Papst, der ihm sage, was richtig sei. Dass die Kirchen immer leerer würden, erklärte er damit, dass die Predigten vielfach langweilig seien und am Leben vorbei zielten. Dabei seien viele Menschen, religiös Suchende. «Die Sehnsucht ist gross.» Hochstrasser schwebte eine «Eglise en marche» vor, eine Bewegung – statt eine Institution, die mit dem Wachsen Strukturen entwickle. Und damit ein Unten und ein Oben. Marisa Brunner pflichtete ihm bei, indem sie die auf den Kirchenvater Lactancius (um 300 n. Chr.) zurückgehende gehende Erklärung des Begriffs «Religion» mit «Rückbindung» auf die rein menschliche Ebene transponierte: Das Verbindende sei entscheidend. Dass man miteinander an einem Tisch sitze.
Auch Fussball sei Religion, sagte Hochstrasser. Und zwar, im Gegensatz zu Buch-, bzw. Sekundärreligionen wie Judentum und Christentum, eine Primärreligion. Wie gewisse Menschen von einem Baum angezogen würden, weil sie hinter diesem einen Baumgeist vermuteten, gebe es welche, die hinter einem Ball mehr, als dessen Materie erkennen könnten.
Als Moderator Markus Kirchhofer voll auf die Schiene Fussball einschwenkte, gewann Torwartin Brunner «Spielanteile» hinzu. Glasklar war etwa ihre Kurzanalyse der gewandelten Goalie-Rolle: «Nach der Abschaffung des Liberos musst du viel mehr Raum abdecken.» Er schaue heute lieber Frauen- als Männerfussball, gestand Josef Hochstrasser. Nicht nur, scherzte er, weil er gerne Frauen sehe, sondern, «weil es hier dieses memmenhafte sich am Boden Wälzen nicht gibt». Im Frauenfussball gehe es eben noch mehr um Selbstverwirklichung und weniger um Selbstdarstellung, sagte dazu Marisa Brunner.