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Eine Bauherrin (59) kassiert vor dem Bezirksgericht Aarau eine bedingte Geldstrafe wegen versuchter Nötigung.
Handwerkerpfusch – kaum eine Bauherrschaft, die nicht ein Liedlein davon singen kann. Manchmal endet das Ganze vor Gericht. So auch im Fall einer Badezimmer-Renovation in der Agglomeration Aarau, bei der allerhand schiefgelaufen war. Jedoch hatte sich nicht ein Handwerker wegen schludriger Arbeit vor dem Bezirksgericht Aarau zu verantworten, sondern eine 59-jährige Schweizerin, die als Bauherrin mit dem abgelieferten Werk nicht zufrieden war. Ihr warf die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau versuchte Nötigung vor. Den Strafbefehl, mit dem sie zu einer bedingten Geldstrafe von 3600 Franken und einer Busse von 900 Franken verurteilt wurde, focht die Frau an.
Ihr «Opfer» war der Elektriker gewesen, der die Stromleitung des alten Spiegelschranks abgehängt und an den neuen angeschlossen hatte. Ein Kontrolleur der Eniwa stellte fest, dass die isolierten Installationsdrähte in der Wand sichtbar waren – und damit nicht auf der ganzen Länge von einem nicht brennbaren Rohr umgeben. Im Kontrollbericht hiess es daher, bei einer Beschädigung dieser Drähte könnte ein Kurzschluss entstehen. Und die dabei produzierte Wärme könnte die benachbarten Holzteile in Brand setzen. Die Kontrolle durch die Eniwa brachte zudem an den Tag, dass der Elektriker die rechtlichen Bestimmungen missachtet und dem Verteilnetzbetreiber weder eine Installationsanzeige noch die Kopie eines Sicherheitsnachweises eingereicht hatte.
Vor Gericht sagte die ohne Verteidiger auftretende Bauherrin, der Kontrolleur habe ihr geraten, dem Elektriker «Beine zu machen». Das tat die couragiert wirkende Frau in der Tat. Sie liess den Elektriker via SMS wissen, dass die Kontrolle Mängel ergeben habe. Der Kanal zur Steckdose müsse wegen Brandgefahr ummantelt werden. Dies müsse umgehend erfolgen. «Teilen Sie mir bitte mit, wann Sie diese Korrektur vornehmen werden.» Der Elektriker, der vor Gericht als Privatkläger auftrat, bestätigte, dass die Frau gewollt habe, dass er «die Baustelle anschaue». Das tat er aber nie.
Den Strick drehte die Staatsanwaltschaft der Bauherrin wegen einer SMS-Message, mit der sie dem Elektriker mitteilte, sie habe sich mit der kantonalen Meldestelle für Schwarzarbeit in Verbindung gesetzt. Sie könne dort eine Meldung absetzen oder bei der Polizei Anzeige gegen ihn erstatten. Dies werde sie auch tun, wenn er sich weiterhin weigern sollte, seine fehlerhafte Arbeit in Ordnung zu bringen. Dass die Staatsanwaltschaft das als Drohung, als versuchte Nötigung qualifizierte, konnte die Frau nicht verstehen. Im Übrigen habe sie dann ja auch ausgeführt, was sie angekündigt habe.
Was sie meinte, war weniger Schwarzarbeit als vielmehr Schwarzgeld, Steuerhinterziehung. Der Elektriker erklärte dem Gericht, die Bauherrin habe ihm 450 Franken auf die Hand bezahlt. Geschuldet habe sie ihm 800 Franken. 350 Franken habe er dann abgeschrieben. Das sei gelogen, erklärte die Frau. Sie habe 850 Franken bezahlt. Das gehe aus den Akten klar hervor.
Sie habe damals noch nicht gewusst, dass die Installation lebensgefährlich war. Die Übergabe habe auf einem Parkplatz in Suhr stattgefunden. Sie habe dem Elektriker die 800 Franken gegeben und eine Rechnung verlangt. Hierauf habe er gesagt, dann müsse er noch einmal 50 Franken haben. Also habe sie ihm noch eine Fünfzigernote gegeben. Er habe diese geschnappt, damit gewedelt und gelacht. Sie glaube wohl nicht, dass sie je eine Rechnung sehen werde, habe er gesagt.
«Wieso, ums Himmelsgottswillen», fragte Gerichtspräsidentin Karin von der Weid die Frau, «haben Sie solche SMS geschrieben?» Für einen Fall wie diesen gebe es doch die Zivilklage. Die gefährliche Installation habe so schnell wie möglich in Ordnung gebracht werden müssen, antwortete die Frau. Eine andere Elektroinstallations-Firma habe das dann erledigt. Hinter der Klage des Elektrikers gegen sie verberge sich im Übrigen «eine viel grössere Geschichte».
Deretwegen sei sie im Clinch mit einer Gruppe von Clan-artig organisierten Bauleuten, deren Ziel es sei, sie mundtot zu machen. Am Anfang der Geschichte habe nämlich ein Wasserschaden gestanden, verursacht durch unsachgemäss ausgeführte Arbeiten des Sanitär-Installateurs.
Diese Firma, so die Frau weiter, arbeite mit dem Elektriker zusammen und habe ihr diesen empfohlen. Zum gleichen Kreis gehöre der mit dem Elektriker verwandte Architekt, der als Zeuge vor Gericht aussagte. Über ihn hatte sie versucht, an den Elektriker heranzukommen, als dieser nicht mehr auf direkte Kontaktaufnahmeversuche reagierte. Die Sache mit dem Sanitärinstallateur sei noch nicht erledigt, sagte die Frau. Nach einem Ortstermin sei in diesem Fall vereinbart worden, dass einstweilen kein Geld fliessen werde.
Die Einzelrichterin verurteilte die Beschuldigte wegen versuchter Nötigung zu einer bedingten Geldstrafe von 3000 Franken, bei einer Probezeit von drei Jahren, und zu einer Verbindungsbusse von 600 Franken. Was vorliege, sagte Karin von der Weid, sei der «klassischste Fall einer versuchten Nötigung».
Die Bauherrin habe dem Elektriker ernstliche Nachteile angedroht für den Fall, dass er nicht spure. Das Ganze sei völlig falsch gelaufen. Es hätte zivilrechtlich die Möglichkeit gegeben, eine superprovisorische Beweisabnahme anzuordnen – oder eine Ersatzvornahme durch einen andern Elektriker. Die Kosten hätten später zurückgefordert werden können. Aber jemanden unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen unter Druck zu setzen, gehe nicht an.
Die Rollen könnten eines Tages vertauscht werden. Die Frau hat mehrere Zivilklagen laufen, auch gegen den Elektriker, der überdies ins Visier des Eidgenössischen Starkstrominspektorates ESTI in Fehraltorf geraten könnte. Dessen Rechtsdienst hat der Bauherrin gegenüber den Befund des Eniwa-Kontrollberichtes bestätigt. Nebenbei hat er auch festgestellt, dass der vom Balkan stammende Elektriker keine Installationsbewilligung des ESTI habe und demzufolge keine elektrischen Installationsarbeiten vornehmen dürfe.