Musik und Theater, genau das ist in der Alten Reithalle Konzept. Argovia Philharmonic und Theater Tuchlaube setzten es nun um. Fazit: Die Reithalle hat mit der «Scheherazade» den Test als Konzertlokal bestanden.
Seine Freude ist nicht zu übersehen, als er das Publikum in der Alten Reithalle Aarau zu einem ganz besonderen Event begrüsst: der Leiter des Aarauer Theaters Tuchlaube, Peter-Jakob Kelting. Zusammen mit dem Argovia Philharmonic ist eine Produktion zustande gekommen, die es so noch nie gegeben hat. Auch Orchester-Intendant Christian Weidmann ist zufrieden, auch deshalb, weil sich Gastdirigent Sascha Goetzel spontan bereit erklärt hat mitzumachen.
Das Programm hat es in sich. Nikolai Rimski-Korsakows «Scheherazade» passt ausgezeichnet in die ehrwürdige, aber kühle Halle. Wer will, erhält eine grüne Decke; niemand soll sich erkälten. Die Reithalle hat (noch) keine Heizung. Als Konzertmeister Ulrich Poschner zum langen Solo zu Beginn der «Scheherazade» ansetzt, wird es still. Nur einzelne Automotoren von der Bahnhofstrasse stören ab und zu. Dann beginnt Schauspielerin Anna Blumer zu erzählen, aus der schaurig-schönen Geschichte von 1011 Nacht, von König Schahriyâr, der sich jede Nacht eine schöne Jungfrau zuführen lässt, sich mit ihr vergnügt und sie am darauf folgenden Morgen köpfen lässt. «Auf der ganzen Welt gibt es kein tugendhaftes Weib», belehrt Anna Blumer das Publikum ... Die Sirene eines Polizeiautos auf der Bahnhofstrasse holt das Publikum zurück in den September des Jahres 2015. Die Schauspielerin führt es indessen mit Leichtigkeit in die arabische Welt von 1011 Nacht zurück.
Musik und Theater, genau das ist in der Alten Reithalle Konzept. Argovia Philharmonic und Theater Tuchlaube setzen es um. Für das Orchester ist es die Hauptprobe für das Konzert zur Saisoneröffnung, für das Theater der Abschluss der Sommersaison und der Beweis, dass sie geht, diese Zusammenarbeit. Das Orchester sitzt in Freizeitkleidung da, was aber das Engagement der Musikerinnen und Musiker in keiner Weise beeinträchtigt.
Vor dem Event an der Bar diskutieren die Zuhörenden. Soll die Reithalle zum Konzertsaal umgebaut werden? Lohnt sich das? Ist das nicht zu teuer? Kann sich Aarau so etwas leisten? «Wer den Bau eines neuen Fussballstadions plant, muss auch Ja sagen zum Projekt Reithalle», moniert ein jüngerer Mann. Optimistisch sind auch Theaterleiter Kelting und Intendant Weidmann. Sie sind sich einig: Das öffnet Türen für multikulturelle Produktionen, die Reithalle ist dafür bestens geeignet.
Dirigent Sascha Goetzel ist nach der Intonation der «Scheherazade» begeistert: Die Akustik sei hervorragend. Zudem könne man hier Musik, Tanz, Theater, Literatur, vielleicht auch bildende Kunst und Film zusammenführen, ein breites Publikum ansprechen, insbesondere auch Junge. Es sei sinnvoll, junge Leute zur Kultur zu holen und sie dafür zu begeistern, dadurch gebe es weniger Gewalt und die Jugendlichen würden weniger auf der Strasse herumhängen. Die Reithalle sei absolut geeignet für spartenübergreifende Veranstaltungen.
Fein ist Rimski-Korsakows Tondichtung ausgeklungen. Der Dirigent bedankt sich beim Orchester, dem Konzertmeister, den Stimmführern. Das Publikum, nicht eben zahlreich, applaudiert, verlässt den Saal, diskutiert an der Bar weiter. Skeptische Fragen sind verstummt. Man ist sich einig: Die Alte Reithalle muss zu einem Konzertsaal umgebaut werden – aber mit Heizung!
Das eröffnet ganz neue Perspektiven für die Kultur, ist schweizweit etwas Einzigartiges. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt die Initiative ergreift und das Projekt zügig vorantreibt, damit sich das Märchen von 1001 erfüllt – allerdings ohne geköpfte Jungfrauen.