Menziken
Mit Hermann Burger ins Reich der Ohrenschnecken

Das TaB* würdigt den vor 80 Jahren in Menziken geborenen Ausnahmeschriftsteller Hermann Burger mit einem Audiowalk. Ein erstes Reinhören vor der Premiere im September.

Katja Schlegel
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Der Audiowalk führt mitunter in die leerstehende Papeterie an der Bahnhofstrasse.

Der Audiowalk führt mitunter in die leerstehende Papeterie an der Bahnhofstrasse.

Bild: Katja Schlegel

Kann man ihn hören? Einfach nur hören, was er geschrieben hat? Schriftsteller Hermann Burger, 1942 in Menziken geboren, dessen Sätze so undurchdringbar fest gewoben sind, wie aus Eiche gedrechselt, dass man nach drei Seiten Lesen absetzen und durchatmen muss. Nicht, weil es nicht erträglich wäre, ganz und gar nicht, sondern weil es so sättigt? Ja, man kann ihn nur hören. Sogar erstaunlich gut.

Es ist Samstagnachmittag, gluthitzig, und Clo Bisaz, Betriebsleiter des Reinacher Theaters am Bahnhof, schmeisst extra für den Pressetermin den roten Flitzer an. Keinen Ferrari in «rosso corsa», wie Burger ihn gefahren hat, aber doch immerhin einen Citroën Ami 8, Jahrgang 1972. Damit geht es auf ein erstes Reinhören in den audioperformativen Rundgang «Hermann Burger – Ein Leben aus Wörtern», der ersten von zwei Produktionen, mit denen das TaB* Burger in den nächsten Monaten würdigt, ergänzt mit einem Rahmenprogramm.

Clo Bisaz, Betriebsleiter des Reinacher Theaters am Bahnhof, hat extra den roten Flitzer aus der Garage geholt.

Clo Bisaz, Betriebsleiter des Reinacher Theaters am Bahnhof, hat extra den roten Flitzer aus der Garage geholt.

Bild: Katja Schlegel

Vorbei am «heute strassenstaubpatinierten Kasten»

Wir fahren also ein in Burgers Menziken, knatternd und hüstelnd, biegen rechts von der Hauptstrasse ab. Vorbei am Alten Schulhaus, diesem «grobkörnig verputzten, ehemals neapelgelben, heute strassenstaubpatinierten Kasten», wie Burger ihn Jahre nach seiner Schulzeit beschrieb, rauf zum Feuerwehrdepot. An beiden Orten wird das Publikum im September Halt machen, wird mit Texten, Zitaten, Interviews, Klangcollagen und szenischen Elementen in Burgers Geschichten eintauchen. Ebenso beim Hort im reformierten Pfarrhaus oder beim Schulareal, in Erinnerung an ein Jugendfest und den Sturz vom Karussellpferdchen.

Es bleibt nicht bei Schilderungen aus der Kindheit, auch Ferrari und Zigarren haben ihren Auftritt: Bei der Carrosserie Treichler wird ein Ferrari stehen und Kinder werden in Seifenkisten den Hang hinunterkesseln, bei der Zigarrenfabrik Eicifa werden zwei Schauspieler in Burgers Worten übers Rauchen philosophieren.

Die Menziker Buchhandlung, die Burgers Werke nicht verkaufte

Den eigentlich ersten Halt steuert Bisaz zum Schluss an: den Halt in der leerstehenden Papeterie und Buchhandlung an der Bahnhofstrasse, dem einstigen Reich der Schwestern Merz mit ihren zu Ohrenschnecken gedrehten Zöpfen. Die Frauen, die Burgers Bücher aus den Regalen verbannten, kaum hatten sie gelesen, wie Burger sie beide selbst – «das Urbild einer Hexe» – oder seine eigene Mutter beschrieb. Wer Burgers Bücher kaufen wollte, musste das in der Buchhandlung in Reinach tun.

Ein paar wenige Requisiten reichen, um die Papeterie wieder aufleben zu lassen.

Ein paar wenige Requisiten reichen, um die Papeterie wieder aufleben zu lassen.

Bild: Katja Schlegel

Im Hier und Jetzt hat Szenograf Andreas Bächli das Gewesene mit Kisten voller Ansichtskarten, Zirkeln und leeren Bilderrahmen skizziert. Audioproduzent Pascal Nater spielt ein erstes Müsterchen ab. Wir lauschen Burgers Wort, erzählt von Sprecher Peter Fischer, mal angestrengt, mal glucksend, mal kopfschüttelnd; erstaunt darob, wie unerhört treffend, wie unglaublich witzig seine Beschreibungen daherkommen. Und erstaunt darüber, wie gut man Burger einzig hören kann – zumindest drei Minuten lang.

Das Kern-Team hinter dem Audiowalk (v.l.): Pascal Nater (Stückfassung/Audioproduktion), Andrea Zielinski (Produktionsleitung), Andreas Bächli (Szenografie), Clo Bisaz (Produktionsleitung) und Gunhild Hamer (Konzept und Regie).

Das Kern-Team hinter dem Audiowalk (v.l.): Pascal Nater (Stückfassung/Audioproduktion), Andrea Zielinski (Produktionsleitung), Andreas Bächli (Szenografie), Clo Bisaz (Produktionsleitung) und Gunhild Hamer (Konzept und Regie).

Bild: Katja Schlegel

Das Einspielen der Interviewpassagen – mit seiner Schwester Kathrin Burger, mit Klaus Merz und Karl Gautschi – hat etwas Erleichterndes, macht es verdaulich und unterhaltsam. Die Vorstellung schliesslich, dass dieser Wucht aus den Kopfhörern das Szenische unter die Arme greifen wird, «die Geschichte dreidimensional werden lässt», wie Regisseurin Gunhild Hamer es nennt, schürt die Vorfreude auf das Erlebnis ganz gewaltig. So gelingt, worauf die Produktion abzielt: Burger den Leuten näherbringen.

Dass man über Burger reden sollte, dessen trägt die TaB*-Crew Rechnung. Nach dem Rundgang (mit der WSB und zu Fuss), wird das Publikum im TaB* an einer gedeckten Tafel zusammenkommen, serviert werden Lieblingsmenus von Burger. Danach kann über das Erlebte diskutiert werden.

Hinweis

«Hermann Burger – Ein Leben aus Wörtern» feiert am 9. September Premiere. Tickets und weitere Infos auf www.tab.ch.