Gerade in den letzten Monaten ist uns bewusst geworden, wie wertvoll doch eine intakte Gesundheit und wie entscheidend ein exzellentes Gesundheitssystem sind. Letzteres ist in der Schweiz zweifellos vorhanden, allerdings hat es seinen Preis, was regelmässig zu hitzigen Diskussionen führt. Jüngst las ich, dass Bundesrat Berset die freie Arztwahl einschränken möchte. Dies bereits nach einem seit Jahren bestehenden und sich zuletzt verschärfenden Zulassungsstopp und mehrfachen vom Bundesrat direktiv durchgesetzten Tarifsenkungen. Ob all diese Massnahmen zielführend sind, möchte ich bezweifeln. Gerade die freie Arztwahl ist für den mündigen Bürger eine «heilige Kuh», die er nicht bereit ist, zum Schlachter zu bringen.
Zunächst einmal ist klar: Ein Spitzen-Gesundheitssystem kostet Geld. Aber wie viel darf ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem, das jeden Einzelnen der Bevölkerung in der obligatorischen Grundversorgung gleichwertig integriert, kosten? Wo kann man sinnvoll einsparen, ohne an Qualität einzubüssen? Apropos Qualität – hier liegt für mich genau der Ansatz. Ärztliche Leistung muss in bestimmten Bereichen messbar werden.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Teuer sind in der Regel apparative Untersuchungen und operative Eingriffe. Nehmen wir mein eigenes Fachgebiet, die Dermatologie. Wenn ich Ihnen im Rahmen einer Hautuntersuchung empfehle, eine Hautveränderung operativ entfernen zu lassen, dann habe ich dazu eine sogenannte klinische Verdachtsdiagnose, das heisst eine Vermutung. Ich vermute ein atypisches Muttermal, einen weissen oder schwarzen Hautkrebs und meine hier erbrachte intellektuelle Leistung lässt sich in der Folge sehr gut messen. Das entfernte Gewebe wird nach der Operation von einem spezialisierten Labor untersucht und man könnte problemlos über einen definierten Zeitraum messen, wie gut meine dermatologischen Diagnosen – also Vermutungen – mit den Laborbefunden übereinstimmen. Das würde dann auch einen Indikator dafür geben, wie viele dieser Operationen wirklich notwendig waren und eine Aussage zur Qualität meiner Arbeit in diesem Bereich wird möglich.
Nun könnte man definieren, dass, wer grössere Hautoperationen durchführen möchte, neben seiner chirurgischen Qualifikation und Expertise auch eine entsprechende Quote richtig eingeschätzter und medizinisch relevanter Diagnosen aufweisen muss. Wer diese Quote nicht erreicht, muss seine Diagnosen in Zukunft vor der Operation durch eine Hautprobe oder Zweitmeinung eines Spezialisten verifizieren lassen. Auf diese Weise könnte man in sehr vielen operativen und gerätelastigen Fachbereichen messbare Kriterien einführen, welche die Qualität erhöhen und gleichzeitig die Zahl unnötiger Eingriffe reduzieren. Gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung müsste ein derartiges Projekt umsetzbar sein, ohne dass es für uns Ärzte einen administrativen Mehraufwand bedeutet.
Das Ganze ist natürlich bei weitem nicht so einfach, wie ich dies hier in einer kurzen Kolumne darstelle. Und eine medizinische Leistung ist neben objektivierbaren Kriterien auch nur dann gut, wenn eine menschliche Komponente dazu kommt. Der empathische und einfühlsame Arzt, bei dem sich der Patient gut aufgehoben fühlt, hat einen positiven Einfluss auf den Krankheits- und Heilungsverlauf und somit auch einen positiven Einfluss auf die Kosten.
Daher muss es auch Fachgruppen, Bereiche und Indikationen geben, die von dieser Art Qualitätsmessbarkeit befreit sind. Zum Beispiel Hausärzte, die im Aargau nach meiner Beurteilung eine ausgezeichnete Arbeit leisten: fachlich gut, breites medizinisches Wissen, effizient und kostenbewusst in der Zusammenarbeit mit den Spezialisten. Dem zunehmenden Hausärzteschwund muss man entgegenwirken und seine Arbeit mehr wertschätzen. Ein guter Hausarzt liefert Qualität, ist menschlich empathisch und spart durch eine gute Triage dem Gesundheitswesen eine Menge Geld.