Am Samstagnachmittag fand auf dem Kirchplatz in Aarau eine Kundgebung für die Ukraine statt. Nach der Demonstration vergangenen Sonntag und der Mahnwache am Freitag in Aarau war es bereits die dritte grössere Veranstaltung für die Ukraine im Aargau. Die Kundgebung richtete sich speziell an Familien mit Kindern.
Kurz nach vierzehn Uhr, dem geplanten Beginn der Kundgebung, haben sich rund 200 Leute auf dem Aarauer Kirchplatz versammelt. Kinder waren mit Schals in den Farben der ukrainischen Flagge ausgerüstet, andere haben Schilder gebastelt, auch die Erwachsenen sind blau-gelb gekleidet, man hört russische, ukrainische und schweizerdeutsche Gespräche. Ein wohl etwa zweijähriger Junge winkte mit einem winzigen Ukraine-Fähnchen in die Handykamera seines Vaters.
Die Kundgebung begann mit einer Begrüssung von Organisator Reto Fischer. Seine Kinder, so Fischer, hätten ihm gezeigt, dass es auch bei den Jüngsten ein Bedürfnis gebe, den Krieg in der Ukraine zu thematisieren. Nach der Kundgebung sagt Reto Fischer, dass ihm in diesem Moment bei der Begrüssung fast die Tränen gekommen wären: «Dass sich so kleine Kinder mit Krieg auseinandersetzen, das ist doch eigentlich wahnsinnig traurig», so Fischer.
Reto Fischer ist von Beruf Oberstufenlehrer und hat auch in seiner Klasse erlebt, wie sehr der Krieg die Kinder beschäftigt: «Man könnte mit den Kindern den ganzen Tag über den Krieg reden, das wühlt sie enorm auf» so Fischer.
Deshalb habe er die Kundgebung in Aarau organisiert: «Die Kundgebung soll ein Ort sein, wo Familien explizit willkommen sind. Die Kinder sollen Zeichnungen zeigen können oder sonst ausdrücken, was sie beschäftigt», so Fischer. Gerade Kundgebungen in Städten wie Zürich oder Bern seien oftmals für kleine Kinder und Familien zu gross. «Wenn sich 20’000 oder 30’000 Menschen versammeln, fühlen sich Familien mit Kindern rasch nicht mehr wohl», so Fischer. Die kleinere Kundgebung auf dem Kirchplatz soll es diesen Familien ermöglichen, sich trotzdem zu beteiligen.
Genau das haben zahlreiche Kinder am Samstag getan. Ein kleiner Junge hat ein Schild beschriftet: «Putin, hör auf kriegen!». Stolz sagte er, dass er alles selbst geschrieben hat. Auf die Frage, was ihn denn beschäftige, sagt er: «Der Krieg macht mich traurig.» Das Neuste, was er wisse, sei, dass «Kiew mit Panzern umzingelt» werde, aber das, so der Junge, mache ihn gar nicht am traurigsten. Viel eher versteht er den ganzen Krieg nicht:
«Russland ist doch schon so gross, warum braucht denn Putin jetzt auch noch die Ukraine?».
Sein Schild, auf dem neben dem grossen Schriftzug ganz oft in kleinen Lettern «Frieden» steht, lässt er auch beim Spielen mit anderen Kindern nach der Kundgebung nicht los.
Nach Reto Fischer sprach Rolf Schmid vom Verein «Netzwerk Asyl» an der Kundgebung. «Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns alle. Deshalb sollten wir uns jetzt nicht zurückziehen, sondern zusammenstehen. Ich bin sicher, dass die, die streiten, uns hören», so Schmid. Er rief die Teilnehmenden dazu auf, sich weiterhin für den Frieden zu engagieren und auch Geflüchtete zu unterstützen. Er rief dazu auf, alle, die vor Krieg und Gewalt flüchten, zu unterstützen, auch jene, die nicht aus der Ukraine kommen.
Ausserdem machte er auf eine Petition des «Netzwerk Asyl» aufmerksam, die eine «humane Aufnahmekultur» für Flüchtende in der Schweiz fordert. Die Petition fordert ausserdem eine kantonale Taskforce, die globale Entwicklungen beobachtet und konkrete Handlungsempfehlungen ausspricht, wenn eine Zunahme von Asylgesuchen bevorsteht. Ausserdem wird in der Petition gefordert, dass sich der Aargauer Regierungsrat gegen weitere Verschärfungen des Asylrechts stellen solle.
Nach der kurzen Rede trat spontan eine Teilnehmerin der Kundgebung ans Mikrofon und forderte die Menge auf, mit ihr ein Lied zu singen. «Wenn wir singen, dann haben wir keine Angst», sagt sie, und stimmte «Dona Nobis Pacem» an, zu Deutsch: «Schenke uns Frieden». Zuerst folgte kaum jemand ihrer Aufforderung, doch bald schallte das Friedenslied aus vielen Mündern über den Kirchplatz.
Nach dem Ende der Kundgebung blieben viele Teilnehmende noch eine Weile auf dem Kirchplatz, die Kinder spielten während sich die Erwachsenen unterhielten, ein paar Jungs verteilten blau-gelbe Konfetti. Nach rund einer Stunde zerstreute sich die Menge langsam.