Lenzburg
Tagesfamilien sind sehr gefragt – es fehlt aber an Anbietenden

Der Verein Tagesfamilien Region Lenzburg sucht in einer neuen Online-Aktion nach Tagesmüttern. Der Grund? Die Nachfrage nach individueller Kindesbetreuung steigt. Das Interesse der Frauen aber, zu Hause zu bleiben und auf fremde Kinder aufzupassen, sinkt – vielmehr wollen sie selber wieder am Arbeitsleben teilnehmen.

Kim Wyttenbach
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Eine Tagesmutter schöpft Spaghetti für die von ihr betreuten Kinder.

Eine Tagesmutter schöpft Spaghetti für die von ihr betreuten Kinder.

Symbolbild: Keystone

Seit einigen Wochen sucht «Sherlock Holmes» auf verschiedenen Gemeindewebsites in der Region Lenzburg nach Tagesmüttern. «Wir haben im Moment mehr Anfragen, als wir abdecken können», sagt Gabriela Thill, Präsidentin von Tagesfamilien Region Lenzburg. «Viele Familien beginnen vor den Sommerferien mit der Planung des nächsten Schuljahres, weshalb viele Anfragen reinkommen. Um den Ansprüchen gerecht zu werden, suchen wir mit dieser neuen Initiative aktiv nach Tagesmüttern oder -vätern.»

Der Verein «Tagesfamilien Region Lenzburg», ursprünglich «Tagesfamilien Bezirk Lenzburg», wurde im Jahr 1990 gegründet. Damals betreuten sechs Tagesmütter sieben Tageskinder. 28 Jahre später (2018) betreuten 52 Tagesfamilien 164 Tageskinder; mit einem Umsatz von 475'000 Franken, bei 48'900 Betreuungsstunden war es bis dato das umsatzstärkste Jahr. Heute werden 132 Tageskinder von 34 Tagesmüttern betreut.

«Tagesfamilien bieten flexible Betreuungsangebote»

«Die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf wird seit einigen Jahren von der Politik gefördert. Dies führt zu einer steigenden Nachfrage nach externer Kindesbetreuung», so Thill. Laut Bundesamt für Statistik werden heute knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Kinder unter 13 Jahren in der Schweiz familienergänzend betreut. Dabei übernehmen Grosseltern und Kindertagesstätten oder schulergänzende Betreuung den grössten Teil der Betreuung.

Das Tagesfamilien-Modell sehe der Verein als Ergänzung zu diesen Möglichkeiten, erklärt Gabriella Thill: «Eine Ergänzung, die gerade in unserer heutigen, immer individualistischeren Gesellschaft gefragt ist. Denn Tagesfamilien bieten flexible Betreuungsmöglichkeiten an, wie beispielsweise Randstunden, Mittagstisch, keine festen Wochentage. Zudem schätzen es viele Familien, dass ihre Kinder über Jahre hinweg von der gleichen Person in einem familiären Umfeld betreut werden.»

Die Krux bei der Sache sei, dass es heute immer schwieriger werde, Mütter zu finden. «Viele Frauen wollen lieber wieder zurück in die Arbeitswelt, anstatt zu Hause als Tagesmutter auf ihre und fremde Kinder aufzupassen.» Diese auseinandergehenden Tendenzen führen letztendlich zu einem Missverhältnis zwischen Familien, die ihre Kinder abgeben möchten, und Familien, die Kinder aufnehmen.

Die Möglichkeit, Familie und Beruf optimal zu verbinden

Dieser Kluft will der Verein nun entgegenwirken, indem er das Modell in der Öffentlichkeit sichtbarer macht. Betreuungspersonen in Tagesfamilien sind heute in ein gut funktionierendes System eingebettet, so Thill: «Tagesmütter beziehungsweise -väter erhalten einen Arbeitsvertrag mit geregelter Entschädigung. Bei Fragen und Unklarheiten stehen ihnen sogenannte Vermittlerinnen zu Seite. Und auch die rechtliche Seite ist geregelt.» Unter anderem werden die Sozialleistungen vom Verein abgerechnet und Betreuungspersonen sind gegen Berufsunfall versichert, bei mehr als acht Arbeitsstunden pro Woche auch gegen Nichtberufsunfall.

Um die Qualität des Tagesfamilien-Modells zu sichern, müssen Betreuungspersonen in Tagesfamilien vor Beginn ihrer Tätigkeit einen 30-stündigen Grundkurs absolvieren und den Nothelferkurs für Kleinkinder abgeschlossen haben. Danach müssen sie jährlich einen sechsstündigen Wiederholungskurs besuchen.

«Tagesmütter und -väter erhalten die Chance, Familie und Beruf perfekt zu verbinden, ohne administrativen Aufwand betreiben zu müssen. Dabei können sie je nach Kapazität mehr oder weniger Tage arbeiten und bleiben somit flexibel», fasst Thill zusammen. «Meistens melden sich Mütter, die selber kleine Kinder haben. Aber ich möchte nochmals betonen, dass auch Väter und ganz allgemein Personen erwünscht sind, die gerne Kinder betreuen.»