Regierungswahlen
Kandidatur für den Regierungsrat: Ihre Chance des Lebens und eine Chance für den Raum Aarau

Die Aarauer SP-Stadträtin Franziska Graf entscheidet sich bis Montag, ob sie als Regierungsratskandidatin antreten will.

Urs Helbling
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Franziska Graf-Bruppacher.

Franziska Graf-Bruppacher.

Severin Bigler (28.6.2017

Es wird eine Wahl voller Sachzwänge: Einerseits ist der nicht mehr antretende Urs Hofmann (SP) der einzige Regierungsrat aus dem Aargauer Westen. Die Kantonshauptstadt oder ihre unmittelbare Nachbarschaft nicht in der Regierung vertreten – das wäre schwer vorstellbar.

Anderseits sind die Sozialdemokraten in der Geschlechterklemme: Es wäre kaum zu vermitteln, wenn sie nicht mit einer Frau antreten würden, der Regierungsrat ein reines Männergremium bliebe. Von den vermeintlichen Favoritinnen haben – Stand gestern Abend – alle abgesagt.

So etwa Nationalrätin und Kantonalpräsidentin Gabriela Suter (Aarau), Grossrätin Simona Brizzi (Ennetbaden) und Nationalrätin Yvonne Feri (Wettingen), die sich allerdings noch ein Türchen offenhält.

«Eine politische Karriere ist nicht planbar»

Das könnte die Stunde einer Sozialdemokratin sein, die bisher nicht so im Rampenlicht stand. Einer Aarauerin, die in der Vergangenheit das Glück hatte, im richtigen Moment am richtigen Ort zu stehen. Die von sich auch schon sagte: «Nach all dem, was ich erlebt habe, glaube ich, eine politische Karriere ist nicht planbar.»

Seit Mitte Woche ist klar, dass sich Franziska Graf (48) ernsthaft eine Kandidatur überlegt. Sie war sechs Jahre lang Grossrätin und ist seit sechs Jahren Stadträtin in Aarau. Ihre grösste politische Leistung als Exekutivpolitikerin war die Schaffung der Kreisschule Aarau-Buchs. Ein harter Brocken war die Umsetzung des Kinderbetreuungsgesetzes. Zeitweise hatte die Sozialministerin gar die eigene Partei gegen sich, aber mit etwas Verzögerung erreichte sie das Ziel doch noch.

Franziska Graf ist in Aarau geboren und in Rombach aufgewachsen. Sie lebt in Rohr, das 2010 mit Aarau fusioniert hat. Im damals noch selbstständigen Rohr sammelte sie ihre ersten politischen Erfahrungen. Etwa als Kreisschulpflegepräsidentin.

Beruflich hat sie sich stets weiterentwickelt. Ihre Laufbahn begann mit einer KV-Lehre in der Storenstoff AG Buchs – sie hat also den Groove der einfachen Angestellten. Später absolvierte sie eine Ausbildung als Kinesiologin. Privat ist sie mit einem Mann verheiratet, den sie beim Sport (damals Kajak, heute Segeln) kennen gelernt hatte.

Und der beruflich oft im Ausland war, sich darum nur bedingt um die beiden Kinder (heute erwachsen) kümmern konnte. Franziska Graf erklärte denn auch schon: «Ich bin glücklich verliebt, aber alleinerziehend.»

2017 hatte sie Ambitionen, Stadtpräsidentin zu werden

Franziska Graf verdankt in ihrer politischen Karriere viel auch dem Zufall: Als Listenfüllerin kandidierte sie für den Grossen Rat und konnte dann – vom sechsten Ersatzplatz! – 2012 nachrutschen. Für den Stadtrat wurde sie 2013 nur nachnominiert, weil die SP Aarau nach dem Ausfall ihrer Spitzenkandidatin dringend jemanden brauchte. Sie wurde jeweils gewählt, aber nicht mit Spitzenresultaten.

Franziska Graf ist ehrgeizig. 2017 wäre sie gerne als Nachfolgerin von Jolanda Urech Stadtpräsidentin geworden. Sie sagte: «Ich prüfe ernsthaft eine Kandidatur.» Allerdings schaffte sie noch nicht einmal das parteiinterne Auswahlverfahren. Was damals genau lief, ist offiziell nicht bekannt. Fest steht: Die SP setzte auf einen Mann (Daniel Siegenthaler) – und verlor.

Stadtparteipräsidentin war 2017 Gabriela Suter. Also jene Frau, die jetzt als Kantonalparteipräsidentin bei der Nomination für den Regierungsrat wieder eine wichtige Stimme hat. Gabriela Suter und Franziska Graf waren nicht immer ein Herz und eine Seele. Aber in der Politik vergisst man schnell. Insbesondere dann, wenn die Eine der Anderen ein Problem lösen könnte – der grosse Druck zu einer Frauenkandidatur.

Sollte sie antreten, hätte Franziska Graf valable Chancen. Der einzige bisherige Aspirant ist Marco Hardmeier, ebenfalls ein Aarauer. Der Mann hatte nur schon wegen seiner Kandidatur den Zorn der SP-Frauen auf sich gezogen.