Aarau
Jubiläum: Die Papeterie Hagenbuch ist in Frauenhänden

Die traditionelle Papeterie feiert ihr 150-jähriges Bestehen – sie hat als einzige in der Stadt überlebt.

Barbara Vogt
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Hagenbuch ist in Frauenhänden

Hagenbuch ist in Frauenhänden

Die Papeterie Hagenbuch heute: Inhaberin Doris Tarmann (vorne) mit ihren Mitarbeiterinnen und ihrem Mitarbeiter. Quelle: Chris Iseli.

Die Papeterie Hagenbuch heute: Inhaberin Doris Tarmann (vorne) mit ihren Mitarbeiterinnen und ihrem Mitarbeiter. Quelle: Chris Iseli.

Chris Iseli

Im alten Lagerraum der Papeterie riecht es nach Holz, Papier. Und nach Nostalgie. Die alten Regale, Holztische und das schwarze, klobige Wähltelefon an der Wand stammen aus der Zeit, als die Familie Hagenbuch noch die Papeterie führte. 1865 eröffnete Friedrich Hagenbuch-Egger am Aarauer Rain eine Buchbinderei mit einem Schreibwarenhandel. Noch ahnte er nicht, dass ein moderner Füllhalter der Marke Waterman Furore machen und er schon bald, 1872, mit seinem Geschäft ein paar Häuserzeilen weiter an die Vordere Vorstadt ziehen würde.

150 Jahre später steht die Papeterie an derselben Stelle, wenn auch grösser, moderner und mit einer optimistisch gestimmten Inhaberin: Doris Tarmann-Bodmer. Eine Papeterie habe es in der heutigen schnelllebigen Zeit und wegen Billiganbietern nicht einfach, sagt sie. «Wir versuchen, uns diesem Strukturwandel anzupassen.» Etwa mit einem Online-Versand, der von der Kundschaft genutzt wird.

Für Doris Tarmann ist «möglichst billig» kein Thema: «Gute und fundierte Beratung gibts nicht zum Nulltarif. «Einen Fülli im Internet zu kaufen, ist wie eine App zu installieren, die den Ablauf im Bad entstopft», sagt sie und lacht. Viele ihrer Kunden schätzten die persönliche Beratung und liebten es, sich im Laden herumzusehen, obwohl: «Unsere Papeterie ist kein Geschenkartikelladen, wir sind auf Schreibwaren und Büromaterial spezialisiert.» Kunden liebten originelle oder schöne Schreibkarten.

Der Ladeninhaberin fällt auf, dass auch junge Leute wieder zur Feder greifen: Sie kaufen Tintenroller oder Füllfederhalter «Gepflegte Schreibgeräte und Markenartikel sind gefragt, sagt Doris Tarmann. Die Kunden schreiben wieder gerne und kreativ. Viele übten sich in der Kunst des Schönschreibens, der Kalligrafie.

Tinte aus der Flasche

Friedrich Hagenbuch führte seine Papeterie in zwei getrennten Geschäften in der Vorderen Vorstadt: Eines war die Buchbinderei, eines der Schreibwarenhandel. 1902 trat Sohn Fritz Hagenbuch-Ernst in seine Fusstapfen und steuerte das Geschäft durch zwei Weltkriege. 1954 übergab er es dann seinem Sohn, Fritz Hagenbuch-Peter. Er höhlte das Haus vollständig aus und ersetzte die zwei Läden durch einen Neubau.

Bilder gibts von der alten Hagenbuch-Papeterie nicht viele, einige jedoch gewähren Einblick in das Wunderland: In den unzählig kleinen Schubladen liegen kostbares Schreibpapier, Couverts, Bleistifte und teure Füllfederhalter, alles säuberlich geordnet. Ordner, Register, dick gebundene Geschäftsbücher liegen auf den Holztischen, in der Glasvitrine stehen grosse Flaschen. Sie waren mit Tinte gefüllt, und wollte ein Kunde etwas von der Flüssigkeit, liess er sich etwas davon in ein eigenes Gefäss abfüllen.

Der Papeterist, stets elegant gekleidet, war früher ein respektierter Geschäftsmann, sagt Doris Tarmann. Sie erinnert sich an eine Erzählung eines Kunden: Dieser sei früher als kleiner Knabe zu den Hagenbuchs gegangen. Er habe sich immer etwas davon gefürchtet, den Laden zu betreten, weil der Verkäufer so streng gewesen sei.

Die Hagenbuchs waren nicht die einzigen, die in Aarau eine Papeterie führten, doch blieb ihre bis heute als einzige bestehen. Wenn auch nicht in der gleichen Familie: 1970 kaufte Felix Hungerbühler aus einer bedeutenden Papeteristenfamilie aus der Ostschweiz das Geschäft. Damals führt er in Lenzburg eine Papeterie, doch liebäugelte er damit, in die Kantonshauptstadt zu ziehen. 1973 verkaufte er die Buchbinderei an Jules Gloor.

Mutter hilft mit

Rund 20 Jahre später kam es zu einem weiteren Abschnitt in dieser Unternehmergeschichte: Doris Tarmann übernahm die Papeterie – als erste Frau. Ihre 87-jährige Mutter unterstützt sie bis heute im Geschäft. «Meine Mitarbeiter lieben sie alle.»

Eben kommt Doris Tarmann aus Zermatt zurück, wo sie einst als Papeteristin gearbeitet hat. Das Jubiläum «150 Jahre Erstbesteigung Matterhorn» erinnerte sie an das gleich hohe Jubiläum von Hagenbuch. Für beides, die Erstbesteigung des Berges und die Gründung einer Papeterie, habe es damals Pioniere gebraucht.