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Der eritreische Flüchtling Osman Mohammed muss die Schweiz Ende Juli verlassen. Im Restaurant Lockentopf setzen sie sich für ihren gut integrierten Hilfskoch ein. Der AZ hat er erzählt, warum er aus Eritrea geflüchtet ist.
Osman Mohammed ist kein Mensch, der besonders ergiebig über sich selber spricht. Der junge Hilfskoch des Aarauer Restaurants «Lockentopf» gibt sich beim Interview eher schüchtern und unaufdringlich, lässt sich seine Sorgen nicht anmerken. Ende Mai hat er den letzten Entscheid vom Bund erhalten: Sein Asylantrag wurde verneint, am 31. Juli muss er die Schweiz verlassen. Als seine Vorgesetzten davon erfahren, setzten sie sich für ihn ein, engagieren einen Anwalt, lancieren eine Onlinepetition.
Über 1650 Menschen hatten diese bis Freitagabend unterschrieben. Die Anteilnahme ist gross: In den drei Jahren, in denen Osman im Aargau ist, hat er schon einige Freundschaften schliessen können. In Aarau oder Lenzburg etwa, wo er in Gastrobetrieben des Sozialunternehmens Trinamo arbeiten konnte, in Spreitenbach bei Einsätzen in einem Elektrounternehmen oder in Brugg, wo der leidenschaftliche FC-Liverpool-Fan derzeit wohnt und in seiner Freizeit fast ständig auf dem Fussballfeld anzutreffen ist.
Mit seiner sympathischen und lockeren Art wird er gut aufgenommen und auch rasch gemocht: Im «Lockentopf», wo er seit Oktober arbeitet, gilt er als zuverlässig, macht seine Arbeit laut seinem Chef «ausserordentlich gut». Und er bringt viel positive Stimmung ins Lokal. Kurz bevor das Foto mit seinen Vorgesetzten, dem Wirtepaar Tobias Krummenacher und Désirée Sibold, entsteht, lachen und witzeln die drei immer wieder miteinander.
Was könnten Schweizer von den Eritreern lernen? Die Lockerheit vielleicht? Für den jungen Osman – laut Dokumenten des Bundes 24-jährig – stellen sich solche Fragen gar nicht erst. «Die Schweizer sind so gute Leute. Ich habe so viele tolle Menschen hier kennen gelernt, ich finde alle nett hier, wirklich», sagt er in einwandfreiem Deutsch, das er hauptsächlich im direkten Kontakt mit den Menschen hier gelernt hat. Auch Dialekt ist für Osman kein Problem. Falls er doch noch in der Schweiz bleiben darf, will er eine Kochlehre machen, «und für immer im ‹Lockentopf› arbeiten», sagt er mit grossem Lachen im Gesicht.
Die Flucht aus seinem kleinen eritreischen Dorf nahe dem Roten Meer ergriff Osman im Dezember 2015. Wenige Wochen zuvor habe er ein Aufgebot ins eritreische Militär erhalten. Im autoritären Regime Eritreas bedeutet dies ein jahrzehntelanges Leben zwischen Kaserne und bewaffneten Konflikten. Wer sich dem Aufgebot widersetzt, hat laut internationalen Berichten mit Zwang, Verfolgung oder jahrelanger Haft zu rechnen. Seinen Vater, der nach wie vor Militärdienst leistet, hat Osman seit rund zehn Jahren nicht mehr gesehen und als Kind etwa alle drei Jahre mal einen Monat lang zu Hause erlebt. Seine Mutter ist 2013 an einer Krankheit gestorben, Osman hat einen kleinen Bruder und zwei Halbgeschwister. «In Eritrea hast du keinen Frieden», sagt Osman. Bei einer Rückkehr befürchtet er eine lange Haft, ein selbstbestimmtes Leben mit Arbeit werde für ihn unmöglich.
Dass Osman scheu und eher einfach gestrickt ist, könnte bei den Befragungen vor dem Bund ein Problem gewesen sein. Im negativen Asylentscheid schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM), er mache meistens sehr kurze, kaum detaillierte, «allgemeine und farblose» Aussagen. Abweichungen zwischen den total zwei Befragungen – die erste offenbar nicht in seiner Muttersprache geführt – wertete das SEM als unglaubwürdig, schrieb im Asylentscheid aber selber gewisse Details falsch. Rekurs konnte Osman nicht einreichen, weil ihm der Brief vom Bundesverwaltungsgericht nicht zugestellt wurde. Das Netzwerk Asyl nahm mit dem Bund Kontakt auf.
Osman, der gut integriert ist, trifft der Entscheid bitter, denn er wird nicht mehr arbeiten dürfen. «Wir würden ihn zu einem guten Lohn anstellen, er könnte locker für sich aufkommen», sagt Krummenacher. «So aber wird er nur dem Staat kosten. Das kann nicht der richtige Weg sein.»