Region Aarau
Im Januar hat die Paartherapie Hochkonjunktur

Der Jahresabschluss hat auffallend oft Folgen für Beziehungen. Eheberatungen und Fürsprecher haben im Januar nämlich deutlich mehr Anfragen von Paaren. Nicht alle wollen gleich die Scheidung.

Sabine Kuster
Drucken
«Man erlebt in den letzten Tagen des Jahres die Schwierigkeiten noch mal und nimmt sie deutlicher wahr»: Walli Jaberg, Stellenleiterin Regionale Ehe- und Paarberatung.

«Man erlebt in den letzten Tagen des Jahres die Schwierigkeiten noch mal und nimmt sie deutlicher wahr»: Walli Jaberg, Stellenleiterin Regionale Ehe- und Paarberatung.

ZVG

Elf Tage zwischen Weihnachten und Neujahr blieben heuer den meisten Arbeitstätigen, um Zeit mit ihren Liebsten zu verbringen. Elf Tage ohne Ablenkung durch Sitzungen, Telefonanrufe und meist auch ohne ein Reiseprogramm. Für auffallend viele Beziehungen ist diese Zeit offenbar ein Prüfstein. «Dinge, die schlummern, kommen dann zum Vorschein», sagt beispielsweise Urs Lienhard, Fürsprecher in Aarau. «Die Leute sind nah beieinander und geraten dadurch auch mehr aneinander», sagt Guido Fischer, ebenfalls Fürsprecher in Aarau.

Die beiden bestätigen unabhängig voneinander: Im Januar haben Sie mehr zu tun mit Paaren, die eine Trennung oder sogar die Scheidung wollen. «Ich habe im Januar immer mehr Anfragen», sagt Guido Fischer. Oft entlade sich auch Gewalt über die Feiertage, weil die Leute weniger weggehen als in anderen Ferien. Im neuen Jahr würden dann im Extremfall die Frauen ausziehen. «Das erlebe ich immer wieder», sagt Fischer. Mehr Anfragen gäbe es jeweils auch nach den Sommerferien, aber nicht so deutlich mehr wie im Januar.

Nicht nur, dass sich die Partner nicht ausweichen können, ist ein Grund für die Zunahme: «Viele machen Ende Jahr auch eine Flurbereinigung und ziehen einen definitiven oder vorläufigen Schlussstrich», sagt Urs Lienhard.

Auch mehr Eheberatungen

Es wird aber nicht immer gleich die Scheidung gefordert: Auch Eheberatungen haben mehr Zulauf im Januar. Auf der Regionalen Ehe- und Paarberatungsstelle Aarau, welche von den politischen Gemeinden und den Landeskirchen unterstützt wird, kennt man dieses Phänomen auch. «Das ist jedes Jahr so», sagt Stellenleiterin Walli Jaberg.

Eine Zunahme von rund 30 Prozent gegenüber anderen Monaten stellt sie fest. Normalerweise hätte die Beratungsstelle schon in den ersten Januartagen viele Anfragen und der Telefonbeantworter sei voll. «Dieses Jahr kamen die Anfragen verzögert, aber gleichwohl.»

Als Gründe für die Zunahme nennt Jaberg ebenfalls, dass die Leute Bilanz ziehen würden. «Man erlebt in den letzten Tagen des Jahres die Schwierigkeiten noch mal und nimmt sie deutlicher wahr», sagt sie. Je nach dem entschieden sich die Paare dann für eine Paarberatung, wenn sie noch Hoffnung hätten oder für eine Trennungsberatung. Auch der Winter könnte ein Grund sein: Man hockt auf engerem Raum zusammen als im Sommer.

Doch die Festtage können auch das Gegenteil bewirken und die Leute ihre Einsamkeit spüren lassen: Die Online-Dating-Portale verzeichnen im Januar deutlich mehr Besucher, wie die Pendlerzeitung «20minuten» kürzlich meldete. Viele gäben sich Anfang Jahr einen Ruck und würden sich anmelden, sagte Stella Zeco von Par-
ship.ch.