Aufstehen, Rücken abklopfen. Jungschwinger können verlieren – und auch mal nass werden. Die Kampfstrategien der 8- bis 15-jährigen Nachwuchsschwinger am traditionellen Schachenschwinget könnten nicht unterschiedlicher sein.
Mit zusammengebissenen Zähnen liegt der Kleine am Boden, den Kopf tief ins Sägemehl vergraben. Immer röter wird sein Gesicht, während sein Gegner über ihm versucht, die Schulter die fehlenden Zentimeter bis zum Sieg auf den Boden zu drücken. Einem Laien wird beim Anblick der balgenden Halbwüchsigen mulmig zu Mute. Die Schwingermamis und –papis jedoch feuern ihren Nachwuchs vom Vorzelt her zum Durchhalten an. Die Aarauer Schachenallee wurde am Sonntag zur Wettkampfarena des zwölften Schachenschwingets.
144 Jungschwinger aus der Nordwestschweiz kämpften in sechs Gängen gegeneinander an, die Jüngsten sind acht Jahre alt. Im ersten Gang noch werden kleinere Knirpse und Schwergewichtige innerhalb ihres Jahrgangs voneinander getrennt, man teilt die Kampfduelle spontan nach Augenmass und Körperbau ein. Einige versinken in ihren blauen Stoffhemdchen, die dünnen Beinchen lottern in den Schwingerhosen, während andere mit pausbäckigem Gesicht fast die Postur eines «Bösen» haben.
Die ersten Duelle beginnen um neun Uhr morgens. Das Sägemehl ist nass, schon bald bilden sich Schlammstreifen auf der Wiese. Die Jungschwinger scheint dies jedoch wenig zu stören. «Wir sind hart im Nehmen, wenn es ums Wetter geht», sagt auch OK-Präsident Peter Meyer. Notfalls müsse man halt dafür sorgen, dass man immer oben liege und gar nie mit dem klebrigen Sägemehl in Berührung komme, witzelt Meyer.
Das ist auch das Ziel jedes Schwingers: Sie alle wollen möglichst nicht auf die Schulter gelegt werden. Die Strategien dazu sind unterhaltsam: Während sich die Kleineren durch den Ring jagen und den Gegner irgendwie am Ärmel zu fassen versuchen, verharren die Älteren konzentriert mit an die Schulter gedrücktem Gesicht und reagieren auf jede Bewegung des Gegners. Alle werden währenddessen von ihren Vereinskollegen neben dem Platz angefeuert: «Geh retour hinaus!» oder «linker Arm nach hinten legen!» rufen sie von ihren Bänken aus. Bärtige Männer mit schweren Schuhen und grossem Hut auf dem Kopf überwachen die Schwinger als Schiedsrichter, werfen immer wieder einen Blick auf die Stoppuhr und entscheiden, wann die Partei beendet ist.
Gerade wurde Janik Läuchli von seinem Gegner auf Platz vier geschlagen. Er gehört seit fünf Jahren zum Schwingclub Freiamt und deckt sogleich einige Tricks der Kampfrichter auf: «Jeder Club darf immer zwei Gastvereine zu einem Clubschwinget einladen. Natürlich gibt man den Gästen dann die besseren Schwinger, sodass der eigene Club eher Chancen auf einen Schwinger im Schlussgang hat», sagt Janik mit einem Augenzwinkern. Peter Meyer relativiert: Da jeder Club mal eine Schwingete organisiert und immer wieder ein anderer Gastclub teilnimmt, bleibe diese Taktik fair.
Bis gegen Abend mussten die Jungschwinger noch viel Können auf dem Platz beweisen. Auf die Probe gestellt wurde aber vielmehr ihre Regenresistenz. Doch das Schwingervolk scheint unbeeindruckt: Aufstehen, Rückenabklopfen und weiter geht’s in den nächsten Gang.