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Der Buchser Ammann Urs Affolter äussert sich im Interview über die Einbürgerungspraxis seiner Gemeinde und den «Shitstorm» der letzten Wochen.
Einen Monat ist es her, seit der Buchser Einwohnerrat entschieden hat, die Türkin Funda Yilmaz (25) nicht einzubürgern. Dies auf Empfehlung und Antrag der Einbürgerungskommission und des Gemeinderats – weil Yilmaz in den beiden Einbürgerungsgesprächen nicht gut abgeschnitten hatte. Untypisch für die Gemeinde, die sonst nicht für eine besonders restriktive Einbürgerungspolitik bekannt ist.
Der Entscheid sorgte schweizweit für Schlagzeilen – und spätestens seit die Gesprächsprotokolle an die Öffentlichkeit gelangt sind, auch für Empörung. Von «Stasi-Methoden» ist die Rede, von «zu hoch angesetzter Messlatte» und von «blödsinnigen Fragen». Kurz: Buchs hatte auch schon bessere Publicity. Welche Konsequenzen hat das für die Gemeinde und die betroffenen Behörden? Die az hat bei Gemeindeammann Urs Affolter (FDP) nachgefragt.
Urs Affolter: Der «Shitstorm» in Form von Hassmails, der über alle Beteiligten hereingebrochen ist, gibt mir zu denken. Der Inhalt der meisten Mails entbehrt jeglicher Beschreibung und gehört direkt ins Altpapier.
Der Gemeinderat ist an das Amtsgeheimnis gebunden und darf darum nicht so offen kommunizieren. Wenn die Antragstellerin auf diese Weise an die Öffentlichkeit gelangt, dann ist das ihre Entscheidung und wird vom Gemeinderat nicht kommentiert. Grundsätzlich ist es aber unbefriedigend, wenn die entscheidenden Gremien nicht kommunizieren dürfen und die Antragstellerin sich frei zur Situation äussern kann.
Die Türkin Funda Yilmaz (25) ist in Aarau geboren, hat in Buchs und Rohr die Schulen besucht und arbeitet als Tiefbauzeichnerin in derselben Aarauer Firma, in der sie schon ihre Lehre gemacht hat. Sie ist mit einem gebürtigen Schweizer verlobt. Am 20. Juni hat der Buchser Einwohnerrat mit 25:12 ihr Einbürgerungsgesuch abgelehnt. Die Einbürgerungskommission hat sie als «zu wenig integriert» bezeichnet, ihre staatsbürgerlichen Kenntnisse seien ausserdem nicht ausreichend.
Im schriftlichen Staatskundetest hat sie 100 Prozent erreicht. In den beiden Gesprächen mit der Einbürgerungskommission konnte Yilmaz den Erwartungen des Gremiums punkto Wissen über das Dorf und die Schweiz jedoch nicht gerecht werden.
Funda Yilmaz hat gegen den Entscheid des Einwohnerrats Rekurs beim Regierungsrat eingelegt.
Da ich bei den Gesprächen nicht dabei bin, beantworte ich diese Frage nach Rücksprache mit dem verantwortlichen Ressortvorsteher, Gemeinderat Toni Kleiber: Grundsätzlich kann ein Einbürgerungsgespräch nicht mit einem anderen verglichen werden, da auf die Person der Antragstellerin oder des Antragstellers – Alter, Berufsbildung, Lebenserfahrung, Vorinformationen aus den Akten – sowie deren Antworten eingegangen wird. Zudem ist es immer ein anderes Kommissionsmitglied, das die Fragen vorbereitet und stellt.
Es werden auch nicht immer alle Themengebiete, die der Kanton vorgibt, abgefragt. Der angesprochene Gesprächsverlauf ist darum speziell, weil es ein Zweitgespräch gab. Zweitgespräche werden in der Regel dann geführt, wenn der Eindruck aus dem Erstgespräch nicht eindeutig für eine positive Empfehlung der Einbürgerungskommission gesprochen hat.
Da Frau Yilmaz Rekurs beim Kanton eingelegt hat, werden wir den Entscheid des Kantons abwarten und diesen genau analysieren. Sofern angezeigt, werden wir selbstverständlich Korrekturen vornehmen und die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Der ganze Medienhype ging in jedem Fall nicht spurlos an den betroffenen Personen vorbei.
Bis vor rund acht Jahren hat der Gemeindeammann die Einbürgerungsverfahren weitgehend alleine verantwortet. Es hat keine speziellen Vorkommnisse gegeben, aber der Einwohnerrat war der Ansicht, dass das Einbürgerungsverfahren professioneller und breiter abgestützt werden sollte. Er hat deshalb die Einbürgerungskommission eingesetzt, und diese hat bis heute sehr gute Arbeit geleistet. Es gab bisher auch keinen Grund, nicht auf die Empfehlung der Einbürgerungskommission einzugehen, zumal ein Gemeinderat in der Regel bei den Einbürgerungsgesprächen dabei ist und auch die Entstehung des Entscheids in der Einbürgerungskommission mitverfolgen kann.
Trotz der sorgfältigen Kommissionsarbeit können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Das ist natürlich unerfreulich, da Menschen betroffen sind, was ich – auch persönlich – sehr bedaure. Dafür sind in unserem Rechtssystem jedoch Rekursmöglichkeiten und Behörden vorgesehen – im vorliegenden Falle ist es der Regierungsrat, der den Sachverhalt beurteilt und gegebenenfalls auch korrigierend eingreift, indem er den Entscheid des Einwohnerrats aufhebt und die Einbürgerung direkt vornimmt oder sie zur Neubeurteilung an die Gemeinde zurückgibt.
Das Interview wurde schriftlich geführt.