Der «Su(h)rrli» im Frohdörfli-Quartier läuft viel besser als gedacht, doch Abgrenzung bleibt ein Thema.
Tenzin kocht Reis. Schüsselweise. Aurelia Munz kann kaum schnell genug leeressen, schaufelt den Reis handvollweise in den Mund, nickt und murmelt anerkennend, wenn die Zweijährige fragend vom Herd aufblickt. Erst, als Tenzin ein Feuerwehrauto in die Plastikschüssel legt, schüttelt Aurelia Munz den Kopf. «Das kann man nicht essen, das gibt Bauchweh», sagt sie und nimmt dann probehalber doch einen Biss. Natürlich nur gespielt, genauso, wie es den Reis und den Tee nur in der Vorstellung der beiden gibt.
Es ist Donnerstagmorgen, «offener Treff» im Su(h)rrli, dem Familientreff in der Viereinhalbzimmer-Wohnung im Frohdörfli 22. Neben Tenzin fräsen Tseronge und Damer mit Spielzeugtöffs über eine Rennstrecke. Ihre Mütter sitzen daneben, plaudern mit Treff-Leiterin Aurelia Munz und helfen, wenn die Spielzeugschachtel zu schwer ist oder der Deckel auf dem Becher mit der Knete klemmt. «Ich komme so gern hierher», sagt Damers Mutter. «Hier kann ich mich mit anderen Frauen treffen und ich lerne so viel.» Immer wieder klingelt es an der Tür, neue Kinder, neue Frauen kommen herein.
Das Su(h)rrli läuft so gut, dass es sogar die Verantwortlichen überrascht. «Im August haben wir Eröffnung gefeiert, im Oktober war die Wohnung voll», sagt Gemeinderat Daniel Rüetschi, zuständig fürs Ressort Soziales, Gesellschaft und Gesundheit. Zehn der zwölf Spielgruppenplätze sind fix besetzt und während der Mütter- und Väterberatung mit den Krabbelgruppen am Dienstag muss man sich manchmal die Ohren zuhalten, weil so viele Kinder durch die Räume toben. Und bereits sind neue Angebote von Freiwilligen geplant: Ab Mai finden eine Elternbildung, ein Puppentheater und Mathematiknachhilfe statt. «Die Anlaufzeit war extrem kurz, wir sind hocherfreut, wie gut der Treff funktioniert», sagt auch Veronika Rickhaus, Leiterin der Fachstelle Kind und Familie.
Der Grund für den Erfolg: Treffleiterin Aurelia Munz. Sie hat an jeder Tür im Quartier geklingelt und das Projekt vorgestellt. «Es reicht nicht, Flyer zu verteilen und das Angebot auf der Homepage aufzuschalten», sagt Rüetschi. Aurelia Munz habe dem Su(h)rrli ein Gesicht gegeben. Rickhaus: «Wenn die Frauen herkommen und wir sie einfach alleine hier sitzen lassen, kommen sie nie wieder. Wenn wir gute Gastgeber sind, ist das Haus voll.»
Offen ist der Familientreff theoretisch für alle Suhrer. In der Praxis hapert damit aber noch etwas. «Im Herbst hatten wir Besucher aus anderen Quartieren, die einfach mal hereinschauen wollten», sagt Rickhaus. Aber die Abgrenzung sei ein grosses Thema. «Eine Frau hat erzählt, sie werde schräg angeschaut, wenn sie erzähle, dass sie hier war. Das sei doch nur was für Ausländer.» Natürlich habe es im Su(h)rrli viele Ausländer, das bringe allein schon der Standort im Frohdörfli mit sich. «Aber bei uns sind nicht Ausländer und Schweizer das Thema, sondern Eltern und Kinder. Das ist ein universelles Thema, das keine Landes- oder Kulturgrenzen kennt», sagt Rickhaus. Trotzdem müsse man immer wieder Aufklärungsarbeit leisten und die Suhrer aus den anderen Quartieren zu einem Besuch einladen. «Hier kommt es zu Begegnungen, die so auf der Strasse nie stattfinden würden», sagt Treffleiterin Munz. «Das ist für alle bereichernd.»
Den positiven Effekt des Su(h)rrli kann man nicht in Zahlen festmachen. «Aber wir haben aktuell zehn Kinder im Vorkindergarten-Alter, die jede Woche hier sind und die Sprache lernen und Sozialkompetenz entwickeln», sagt Rickhaus. «Wenn sie in den Kindergarten kommen, bringen sie das mit.» Dazu kommen die Mütter, die hier im Treff Freundinnen finden und Deutsch sprechen, anstatt alleine zu Hause zu sitzen. «Diese Integration ist unbezahlbar», sagt Rickhaus. Die Gemeinde kostet das Su(h)rrli aktuell nur die Miete für die Wohnung und der Lohn für Leiterin Aurelia Munz. Alle anderen Ausgaben werden vom Kanton oder von Stiftungen getragen oder von Freiwilligen geleistet.
Wie geht es nun weiter? Der Platz im Su(h)rrli wird bereits eng, zahlreiche weitere Projekte und Angebote stehen in der Pipeline. Klar ist auch, dass es angesichts des in den nächsten Jahren bevorstehenden Bevölkerungswachstums weitere solche Angebote braucht. «Möglich wäre es, neuen Platz im Kindergarten Schützenweg zu schaffen, der sowieso ausgebaut und saniert werden muss», sagt Rüetschi. Aktuell laufen ausserdem die Abklärungen für ein Quartierzentrum auf dem Land zwischen Schützenweg, Ring- und Gränicherstrasse. Hier könnte in Zusammenarbeit mit dem Töpferhaus Aarau, einer Institution für junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, ein mehrstöckiges Zentrum entstehen. Das Projekt hatte der Gemeinderat bereits am Infoforum im Mai 2015 vorgestellt. Laut Rüetschi läuft jetzt das Gestaltungsplanverfahren. «Noch ist nichts entschieden, aber wir planen ein Zentrum mit Platz für ein Quartier-Café, einen Treffpunkt und Gewerberäume.»
Rüetschi und Rickhaus betonen, dass es mit dem Engagement für Familien nicht getan sei. «Wir möchten solche Plattformen auch älteren Suhrern bieten», sagt Rickhaus. Ideen und Anregungen nehme sie gerne entgegen und helfe, wo es geht. So, wie beispielsweise die Frau aus dem Quartier Feld, die gerne einen Stricktreff gründen würde, oder der Generationenmittagstisch, den eine Private im Feld anbieten will. Rickhaus: «Wir wollen nicht vorgeben, was wo stattfindet. Aber wir bieten Initianten Hand, ihre Idee umzusetzen.»