Der 1972 eingeweihte «Aarauerhof» ist in die Jahre gekommen und muss saniert werden. Aber anders als sein Vorgänger wird er nicht abgebrochen. Die az blickt für Sie zurück auf die Geschichte des besten Haus am Platz.
Aarau war zwar seit 1858 an das Eisenbahnnetz angeschlossen, doch die Haltestelle lag damals weitab vom Stadtzentrum. Der heutige Bahnhofplatz war vor 150 Jahren noch freies Feld und diente dem Bahnhofinspektor und dem Buffetwirt als Kraut- und Kartoffelacker.
Das sollte sich erst ändern, als der Aarauer Hans Gerber, ein junger Koch mit internationaler Erfahrung, 1893 nach zwölf Lehr- und Wanderjahren in seine Vaterstadt zurückkehrte. Sein Auge fiel auf den Pflanzblätz neben dem Bahnhof – ein idealer Standort für ein neues Hotel.
Unter gütiger Mithilfe von Baumeister Olivier Zschokke wuchs das geradezu mondäne Hotel Gerber Terminus in die Höhe und konnte just am Tag des Aarauer Maienzugs, am 11. Juli 1895, eröffnet werden.
Das «Gerber Terminus» avancierte bald einmal zum ersten Haus am Platz, es enthielt neben den 36 Gästezimmern mit 40 Betten im Parterre ein Café, im ersten Stock einen grossen Festsaal, ein kleineres Speisezimmer, eine Bibliothek, ein Klublokal und einen Billardsalon, der später zu einer Bar umfunktioniert wurde.
Das Foyer und den Nordeingang schmückten Wandgemälde der hiesigen Künstler Ernest Bolens und Max Burgmeier. Und die Toiletten waren mit Marmorplatten ausgekleidet. Das wussten im Ersten Weltkrieg auch jene Stabsoffiziere zu schätzen, die im «Gerber Terminus» bis 1918 einquartiert waren.
Das Hotel wurde bald auch ein gesellschaftlicher Magnet der Kantonshauptstadt. Nicht nur fanden im Saal zahlreiche Vorträge wissenschaftlicher oder politischer Art statt, im «Gerber» traf man sich auch zu festlichen Geburtstagen und anderen Anlässen.
Und in der Bar zelebrierte der Reit-Club Aarau um Wilhelm Hugo Francke in den Jahren vor und nach 1900 am Wochenende jeweils ausgedehnte Freinächte. Ab 1927 setzte die eben gegründete Offiziersreitgesellschaft Arizona Aarau diese Stamm-Tradition fort.
Dabei wurden Hotelgäste und Anwohner hin und wieder durch laute Petardenkracher unsanft aus dem Schlaf gerissen. Dem Reitverein kam dabei entgegen, dass die Wirte Theo Imfeld und später André Schmidt selber Arizonesen waren und oft ein Auge zudrückten.
Allerdings ging es kurz nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Betrieb abwärts. Es brauchte eine finanzielle Kraftanstrengung der Kaufmännischen Gesellschaft Aarau, die das Hotel 1920 durch die Gründung einer Aktiengesellschaft vor dem Ruin rettete. Gleichzeitig taufte man das ehemalige «Gerber», das vollständig renoviert worden war, in «Aarauerhof» um.
Das Café im Erdgeschoss wurde zu einem Restaurant, in dem die Kantonsschülerverbindung Industria ihren Stammtisch einrichtete. Und auch die 1922 gegründete Heinerich-Wirri-Zunft hielt im «Araber», wie der Volksmund das Haus bald einmal bezeichnete, ihre Bott-Anlässe ab.
Der Begriff «Araber» dürfte kaum etwas mit Beduinen oder Vollblutpferden zu tun haben, vermutlich ist es einfach eine verkürzte Verballhornung von «Aarauerhof». Das «erstklassige Etablissement» verfügte übrigens laut einem Inserat von 1921 sogar über ein «ständiges Orchester».
In den 1960er-Jahren stand die AG vor der Frage, ob der «Aarauerhof» zu sanieren sei oder einem Neubau weichen muss. Man entschied sich für die zweite Variante und begann 1970 mit den Abbrucharbeiten.
Zwei Jahre später, rechtzeitig vor dem Eidgenössischen Turnfest 1972 in Aarau, konnte der in der Öffentlichkeit nicht ganz unumstrittene Neubau nach den Plänen des Zürcher Architekten Justus Dahinden eröffnet werden.
Nun brachen die «goldenen Zeiten» unter dem wirbligen Hoteldirektor Roland W. Jaeger an. Er machte den «Aarauerhof» wieder zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt, nicht zuletzt im Untergrund. Mit dem «Happy Night» und später mit dem «Happy Landing» erhielt Aarau einen Nachtclub, der höheren Ansprüchen zu genügen vermochte.
Legendär waren die Gala-Abenden mit den Orchestern von Pepe Lienhard und Hazy Osterwald oder mit dem Sänger Percy Sledge, tempi passati!
Am 7. April 1979 geriet der «Aarauerhof» weltweit in die Schlagzeilen, als ein russischer Diplomat leblos in der Badewanne des Zimmers 215 aufgefunden wurde. Die Ermittlungen kamen zum Schluss, dass es sich um einen Suizid handelte, was – mitten im Kalten Krieg – in Moskau Zweifel auslöste und zu heftiger Kritik führte.
Nach Jaegers Abschied zeigte die Erfolgskurve nach unten. Im Frühling 2004 übernahm der Zürcher Gastro-Unternehmer Peter Horneck den «Aarauerhof».
Anno 2010 musste die unterirdische Disco (zuletzt «dock 25») einem Wellnessbereich weichen, und am 1. Juni 2012 wechselte der Betrieb abermals die Hand, wurde doch der ganze Komplex von der Gruppe Sorell Hotels Switzerland übernommen und bis heute weitergeführt.