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Die Untersuchung des Bundesamtes für Energie (BFE) zeigt: Die Region könnte von einem Endlager wirtschaftlich profitieren, müsste jedoch andere Nachteile in Kauf nehmen
Das Bundesamt für Energie (BFE) hat seit 2011 in den potenziellen Standortregionen für Tiefenlager sozioökonomisch-ökologische Studien durchgeführt. Dabei ging es darum zu analysieren, wie sich der Bau eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle und die dafür erforderlichen Anlagen an der Oberfläche auf die Region auswirken – in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht.
Am Samstag hat die Vollversammlung Plattform Jura-Südfuss von den Ergebnissen für den Standort Däniken Kenntnis genommen (OT vom Montag). Ob diese nun schlecht oder weniger gut sind, auf den Standortentscheid für das geologische Tiefenlager, den der Bundesrat voraussichtlich 2017 fällt, haben sie keinen Einfluss. Oberste Priorität hat dann die Sicherheit. Sie werden erst in die Erwägungen einbezogen, wenn zwei Tiefenlager-Areale gleichwertig einander gegenüberstehen. Die Untersuchung gibt aber interessanten Aufschluss über die Standortgemeinde Däniken und die Region Jura-Südfuss. Die Region Jura-Südfuss umfasst 28 Aargauer und 19 Solothurner Gemeinden.
Wie gross die wirtschaftliche Effekte eines Tiefenlagers auf die Region sind, hängt vor allem von der bestehenden Wirtschaftsleistung und -struktur der Region ab. Und diese ist in der Region Jura Südfuss, mit den Städten Aarau und Olten, besonders gross. Deshalb hat die Region Jura-Südfuss denn auch das vergleichsweise grösste Potenzial, die durch das Endlager verursachten Umsätze für sich zu beanspruchen. Die Region Jura-Südfuss ist verglichen mit den anderen fünf Standortregionen jene mit der grössten Bruttowertschöpfung.
Alle Standortregionen verzeichneten in den Jahren 2001 bis 2008 eine unterdurchschnittliche Zunahme der Beschäftigtenzahlen im Vergleich zum schweizerischen Mittel (zwölf Prozent). Das Büro Infras AG Zürich, das die Untersuchung im Auftrag des BFE gemacht hat, erklärt dies damit, dass in sämtlichen betroffenen Regionen grössere Städte fehlen und daher die wachstumsstarken Dienstleister untervertreten sind. Die stärkste Entwicklung verzeichnete allerdings Jura-Südfuss (9,8 Prozent).
Die Region Jura-Südfuss weist zwar 232 000 Hotellogiernächte aus, liegt damit jedoch weit hinter der Region Wellenberg mit dem Tourismusort Engelberg. Jura-Südfuss liegt aber immer noch vor allen anderen Regionen. Im Gegensatz zu Wellenberg handelt es sich aber vor allem um Geschäfts- und Freizeittourismus.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist für die mögliche Standortregion Jura-Südfuss somit vor allem die mögliche Abschöpfung der Wertschöpfungspotenziale relevant. Diese werden vor allem während der Bauphase wirksam. Ob und in welchem Umfang Immobilien an Wert verlieren, konnte das Büro Infras nicht beziffern, da vergleichbare Studien fehlen. Infras hat deshalb untersucht, ob die Oberflächenanlagen von den Wohnzonen aus sichtbar sind. Im Fall Jura-Südfuss sind im mittleren Umkreis von 2 bis 5 Kilometern von allen Standortregionen am meisten Wohnflächen betroffen, insgesamt 86 Hektaren. Im Umkreis bis zu zwei Kilometern sind es 28 Hektaren.
In Bezug auf die Umwelt wären am Standort Däniken vor allem der Grundwasserschutz und die Beeinträchtigung eines Wildkorridors von nationaler Bedeutung zu beachten. Die geplante Verschiebung der Grundwasserfassung «Kürzefeld» würde, so die Studie, die Anforderung an den Grundwasserschutz zusätzlich erhöhen. Allerdings geht die Studie davon aus, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt würden. Für die Mineralquelle Lostorf konnte nicht stichhaltig nachgewiesen werden, dass die Portale und Zugangsstollen zu einem Tiefenlager die Thermalwasser führenden Schichten beeinträchtigen. Infras räumt aber ein, dass die hydrogeologischen Zusammenhänge «weitgehend unbekannt» sind.
Hinsichtlich des Wildtierkorridors gibt die Studie zu bedenken, dass das Gebiet bereits stark vorbelastet ist. Die Oberflächenanlagen würden die geplanten Aufwertungsmassnahmen aber zusätzlich erschweren. Ein «mittlerer Konflikt», so Infras, ergäbe sich mit den gültigen Raumkonzepten. Der Zwischenraum zwischen Däniken und Dulliken hat (auch nach dem Kiesabbau) eine Ausgleichsfunktion im ansonsten dicht besiedelten Gebiet, auch wenn die Naherholungsnutzung der betroffenen Flächen nur lokale Bedeutung habe. Die «Grünzäsur» zwischen den Entwicklungsgebieten von Däniken und Dulliken würde gestört.
In der Kiesgrube «Studenweid» liessen sich die Gebäude unter der Geländeoberfläche erschliessen und in die Landschaft einbetten. Während des Baus der Oberflächenanlagen, des Zugangstunnels und der unterirdischen Lager – Dauer bis sechs Jahre – würde rund eine Million Kubikmeter Material ausgebrochen und mit dem Zug oder alternativ mit Förderband wegtransportiert. Die Lastwagenfahrten und die Transportimmissionen könnten in Däniken dank dem günstigen Bahnanschluss auf ein Minimum beschränkt werden.
Immerhin, sollte Däniken Standort für ein Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle werden (hochaktive Abfälle sind an diesem Standort nicht vorgesehen), so würde die Region von allen am stärksten von zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren (jährlich plus 200 000 Franken). Die Abgeltungen werden auf rund 300 Millionen Franken geschätzt oder jährlich 3,2 Millionen Franken.
Der Bericht, 90 Seiten lang, ist einsehbar beim Bundesamt für Energie unter www.bfe.admin.ch/soew.