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Wie die Fahrerin Sarah Friedli und der Unternehmer Hans-Peter Dreier die Zeit erleben, in der die Firma plötzlich systemrelevant ist.
Sarah Friedli (34) ist die Frau an der Front. Wir treffen sie frühmorgens beim Voi in Rombach – ihre Schicht begann bereits um 4 Uhr. Sie ist eine rund von zwei Dutzend Chauffeuren, die täglich für die Jowa Brotprodukte von Gränichen zu den Migros-Filialen fahren. Sarah Friedli ist seit zwei Jahren für das Transportunternehmen Dreier unterwegs.
Hans-Peter Dreier (60) ist der Chef und Mehrheitsaktionär. Wir treffen ihn in seinem Büro in Suhr. Er ist natürlich in Sorge, was wegen Corona abläuft. Gleichzeitig freut er sich aber auch, dass in den letzten Tagen die Wertschätzung des Lastwagengewerbes gestiegen ist. «Man könnte sagen, endlich erhalten wir den Stellenwert, der uns gebührt.» Und: «In guten Zeiten waren wir die Stinklastwagen, jetzt sind wir plötzlich systemrelevant. Das ist schon auch ein schönes Gefühl.» Systemrelevant? Dreier zeigt ein Schreiben, das er am Dienstag vom eidgenössischen Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung erhalten hat. Titel: «Bestätigung als versorgungsrelevantes Unternehmen/Kritische Infrastruktur». Dreier verteilt auch viele Güter des täglichen Bedarfs. Die aktuelle Situation erfordert von den Fahrern und Disponenten viel Flexibilität.
Sarah Friedli ist gelernte Keramikmalerin: «Aber Lastwagen haben mich schon immer fasziniert.» Unter den Chauffeuren ist sie, das zeigt die kleine Tafel hinter der Frontscheibe, das «Flädermüsli». Warum? Eine komplizierte Geschichte, die etwas mit einem Tattoo zu tun hat. Sarah Friedli sagt: «Vorletzte Woche mussten wir wahnsinnig viel Brotwaren transportieren. Auch viel Toast und Aufbackprodukte.» Die Schicht habe eine Stunde früher begonnen, der Platz auf dem Lastwagen sei knapp geworden. Jetzt sei es wieder normal. «Aber man merkt, dass es weniger Verkehr hat.»
Hans-Peter Dreiers Unternehmen hat mehrere Standbeine. «Das verdanken wir der zweiten Generation», sagt das Mitglied der dritten Generation. Er betont: «Die Dreier AG hat schon viele Krisen hinter sich gebracht und ist meistens noch stärker aus ihnen hervorgegangen, weil wir jedes Mal dazulernten.» Aktuell hat es die Textillogistik in der Schweiz schwer getroffen. Sie ist praktisch zum Erliegen gekommen. «Da müssen wir Kurzarbeit einführen», sagt Dreier.
Er macht sich Sorgen wegen des Baugewerbes: Sollte der Bundesrat entscheiden, dass die Baustellen landesweit geschlossen werden, würde das auch die Dreier AG schwer treffen. Und: «Für die Gesamtwirtschaft wäre es ein Supergau», so Dreier. Der Unternehmer begrüsst, dass der Staat die Firmen rasch und unkompliziert mit Geld unterstützt. «Wir als Dreier AG haben 2009 gelernt, dass die Liquidität in Krisen immer das Wichtigste ist.» Man habe die Hausaufgaben gemacht. «Falls die Coronakrise nicht über den Sommer hinausgeht und keine weiteren drastischen Einschränkungen auf uns zukommen, werden wir nach heutiger Einschätzung nicht auf das Angebot der zusätzlichen Kredite zurückgreifen müssen.» Die Dreier AG beschäftigt 600 Mitarbeitende und hat 290 Lastwagen und 650 Wechselbrücken für den kombinierten Verkehr Strasse-Schiene im Einsatz.