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In zweieinhalb Wochen soll der Aarauer Einwohnerrat 33,6 Millionen Franken für den Kauf der Überbauung «Auf Walthersburg» bewilligen. Spätestens seit Einwohnerrat Christian Oehler, ein Freisinniger wie Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker, den Kaufpreis als zu hoch bezeichnet hat (Leserbrief in der AZ vom Montag), ist klar, dass die Parlamentsdebatte spannend wird.
Und es stellt sich die Frage, wie erfolgreich die Stadt auf dem Immobilienmarkt unterwegs ist. Als direkte (Einwohner- und Ortsbürgergemeinde) als auch als indirekte Investorin (der Stadt gehören 95,4 Prozent der Eniwa).
Während der Stadtrat in seiner Funktion als Exekutivorgan der Ortsbürger auf seine Immobilien-Leistung stolz sein kann, sieht es in seinem Kerngeschäft (Einwohnergemeinde) nicht so gut aus. Und die stadträtlichen Vertreter im Verwaltungsrat der Eniwa können auch nicht glücklich sein über die erheblichen Leerstände des Energieversorgers. Die Eniwa verliert jährlich hunderttausende von Franken an Mieteinnahmen.
Grösstes Sorgenkind der Einwohnergemeinde Aarau ist die 2015 für 7,9 Millionen Franken erworbene Liegenschaft Heinerich-Wirri-Strasse (ehemals GastroSocial). Sie steht nach wie vor zu grossen Teilen leer. Selbst die renommierte Vermittlungsfirma Engel & Völkers erzielte keinen Durchbruch und ist jetzt nicht mehr mandatiert. «Die verbleibenden Mietflächen werden seit Anfang 2019 wieder durch die Stadt Aarau selber vermietet», erklärt Daniel Müller, Leiter Liegenschaften und Betriebe. Im Internet sind 980 Quadratmeter ausgeschrieben.
Seit anderthalb Wochen laufen die Umbauarbeiten im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss (OG), damit die städtische Informatikzusammenarbeit Aarau-Baden (IZAB) anfangs Mai einziehen kann. Der «GönHort» ist vorübergehend ins 2. OG gezogen. Der Mietvertrag des Horts kann ab dem 1. August 2020 von beiden Seiten gekündigt werden. Zudem hat der Stadtarchivar sein Lager und sein Büro im 1964 erstellten Gebäude.
Weiterhin offen ist, ob die Kreisschule Aarau-Buchs mit ihrer Geschäftsstelle in die 3. Etage einziehen wird. Der Kreisschulrat hat das Geschäft Ende November an die Kreisschulpflege zurückgewiesen. «Gemäss unserer Kenntnis ist die Kreisschule nach wie vor an Büroflächen an der Heinerich-Wirri-Strasse 3 interessiert», sagt Daniel Müller. «Der Kreisschule wurden Angebote für verschiedene Mietflächen unterbreitet. Das Geschäft wird derzeit schulintern bearbeitet und ist noch pendent.»
Wenn auch nicht direkt, so indirekt, sind die Leerstände der Eniwa ein Sorgenkind des Stadtrates von Aarau: Im Internet ausgeschrieben ist die leeerstehende 4. Etage des Neubaus an der Industriestrasse in Buchs: 1480 Quadratmeter für monatlich 27 100 Franken. Ebenfalls zur Vermietung angeboten wird der weitgehend leerstehende ehemalige Hauptsitz an der Oberen Vorstadt (beim Turbinenkreisel). Für die 4600 Quadratmeter gilt Preis auf Anfrage.
Bekannt ist, dass die Eniwa das ehemalige IBA-Hauptgebäude mittelfristig (kaum vor 2022) gerne dem Kanton vermieten würde. Die Planungsarbeiten sind noch nicht sehr weit fortgeschritten und das Geschäft wird dem kantonalen Parlament vorgelegt werden müssen.
Nicole Payllier, Sprecherin der Aargauer Gerichte, sagt dazu: «Der Teilzusammenzug der Gerichte am Standort Aarau wird zurzeit mittels einer Machbarkeitsstudie geprüft.» Das Projekt werde dieses Jahr durch die Gerichte Kanton Aargau und den Regierungsrat bearbeitet und entsprechende Entscheide würden in Zusammenarbeit mit der Eniwa und der Stadt Aarau gefällt werden.
Der abschliessende Entscheid für einen neuen gemeinsamen Standort fällt in den Kompetenzbereich des Grossen Rates», so Payllier. Was alles im IBA-Gebäude untergebracht werden könnte, ist noch offen. Die Stadt sprach schon vom Bezirksgericht, das sich aktuell in einem städtischen Gebäude an der Kasinostrasse befindet.
Die Eniwa hat den Kanton als neuen Mieter also noch nicht auf sicher. Im Gegenteil. Dieser prüft auch Alternativen. «Es ist eine Grundaufgabe des Kantons, für seine Aufgabenerfüllung verschiedene Lösungen und Optionen auf ihre Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Zurzeit sind wir in der vertieften Überprüfung, die noch nicht abgeschlossen ist», so Payllier.
Unter dem Titel «Diese 33,6 Millionen Franken wären schlecht investiert» publizierte die Schweiz am Sonntag am 23. Februar eine Analyse zum geplanten Immobiliengeschäft «Walthersburg» der Stadt Aarau. Mit den darin vertretenen Meinungen ist das «Forum der Älteren – Region Aarau» (FORÄRA) gar nicht einverstanden. Unter dem Titel «Mit der ‹Waltersburg› ist die Stadt Aarau auf dem richtigen Weg» verfasste der ehemalige CVP-Stadtrat Gérald Erne namens des FORÄRA-Vrostands eine Stellungnahme.
Kernaussage: Der Einwohnerrat habe am 25. März mit der stadträtlichen Vorlage nicht nur über ein Immobiliengeschäft zu befinden hat, sondern auch über die Alterspolitik von Aarau. Der Vorstand des FORÄRA sei überzeugt, «dass, wer vor der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und deren Folgen die Augen nicht verschliessen will, handeln muss».
Und: «Es sind Massnahmen gefragt, die den Älteren ein möglichst langes, selbständiges Wohnen ermöglichen». Dazu gehöre unter anderem der Erhalt des Seniorenzentrums «Auf Walterhsburg» mit seinen Dienstleistungen. «Die Alternative dazu sind wesentlich teurere Alters- und Pflegeheimplätze, die den Steuerzahler mehr belasten», so der FORÄRA-Vorstand.
«Das hohe Durchschnittsalter – die älteste Bewohnerin ist 99 Jahre alt – und die Tatsache, dass viele Bewohner bis zu ihrem Tod im Seniorenzentrum bleiben, widerlegt die rufschädigende Behauptung, das Seniorenzentrum habe ein tiefes pflegerisches Angebot und liege nicht im Trend», schreibt der Vorstand weiter. «Das Zentrum ist kein Pflegeheim, ermöglicht aber durch die gebotene Begleitung, Betreuung und Pflege ein möglichst langes, selbständiges und selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden.»
Die operative Verantwortung soll aus Sicht des Vorstandes des FORÄRA wei-terhin durch die Betriebsgenossenschaft sichergestellt werden: «Diese Betriebsform stellt gemäss den Statuten sicher, dass der Betrieb nicht auf gewinnorientierter Basis konzipiert ist, wie bei den privaten Trägerschaften.» Der Vorstand ist auch überzeugt, dass die Betriebsgenossenschaft noch professionellere Wege finden werde, den Betrieb wieder selbsttragend zu gestalten, wie es 2018 wieder gelungen sei. (uhg)