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Hormat Abbaszadeh , der das «Tsing Tao» in Rohr führt, findet, dass der Westen ein falschen Bild von seiner Heimat hat.
Als Hormat Abbaszadeh erfuhr, dass der iranische General Soleimani durch einen amerikanischen Drohnenangriff getötet wurde, konnte er zwei Nächte nicht mehr ruhig schlafen. «Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet», sagt er. Er hatte vor seinem inneren Auge schon einen Krieg ausbrechen sehen. «Ich hätte nie gedacht, dass die USA so etwas machen», sagt er.
Hormat Abbaszadeh (45) ist vor 20 Jahren als Flüchtling aus dem Iran in die Schweiz gekommen. Und hat sich besser an das Leben hier angepasst, als mancher, der hier aufgewachsen ist. Mittlerweile ist Abbaszadeh eingebürgert und fühlt sich durch und durch als Schweizer. Mit seiner Frau führt er das chinesische Restaurant Tsing Tao in Aarau Rohr. Er hat sich intensiv mit dem politischen System der Schweiz auseinandergesetzt.
Die kürzlich erschienene Ausgabe der SRF-Politsendung «Arena» zum Thema Iran hat Abbaszadeh irritiert. «Der Iran galt im Vorhinein als Feind», sagt er. Er fühlte sich an seine Kindheit zurückerinnert, wo die Rollen auch ganz klar verteilt waren. «In der Schule stand an der Wandtafel und an den Wänden ‹Tod den USA› oder ‹Tod Israel›», sagt Hormat Abbaszadeh.
Das Gleiche geschehe jetzt mit dem Iran. Als Student der Wirtschaftswissenschaften in Teheran hat Abbaszadeh begonnen, diese an Glaubenssätze grenzenden Parolen zu überdenken. Wegen seiner politischen Aktivitäten sah er sich schliesslich dazu gezwungen, das Land zu verlassen. Was in dieser Zeit genau geschah, will Abbaszadeh nicht im Detail besprechen.
«Meine Einstellung hat sich in den Jahren 2002 bis 2003 stark geändert», sagt er. «Heute unterstütze ich die Iraner, die möchten, dass ihr Land mit westlichen Regierungen Kontakt hat.» Im Gegensatz zu den Gästen der «Arena» sei er regelmässig im Iran und kenne das Land gut. Er ist überzeugt, dass die Demokratie auch im Iran ankommen wird. «Aber der Iran braucht Zeit», sagt er.
Die neusten Entwicklungen im Verhältnis zwischen Iran, Amerika und dem Rest der Welt nehmen Hormat Abbaszadeh hörbar mit. Wenn er darüber spricht, erreicht seine Stimme eine hohe Tonlage und übertönt die friedlich flötende Asia-Musik im Chinarestaurant.
«Die Iraner fühlen sich durch diese Tat beleidigt, klar gehen sie auf die Strasse», sagt er. Das heisse nicht, dass alle die konservative Regierung gutheissen würden. «Aber momentan herrscht die Wut», sagt er. Abbaszadeh hat Angst vor einem Bürgerkrieg.
2015 reiste er nach 15 Jahren zum ersten Mal zurück in den Iran – geschäftlich. Abbaszadeh hat inzwischen begonnen, Granatäpfel, Feigen, Datteln und Safran aus dem Iran zu importieren. Was er bei seinem ersten Besuch sah, erstaunte ihn aufs Höchste. «Die Frauen trugen die Haare offen», sagt er. «Wir durften damals nicht einmal kurze Hemden tragen.»
Entgegen dem Bild, das in Europa und auch in der Schweiz vom Iran gezeichnet werde, seien Teile der iranischen Bevölkerung durchaus an einer Öffnung zum Westen und an einer Demokratie interessiert. Doch die Kündigung des Atomabkommens durch die USA sei der erste Schritt gewesen, das mühsam aufgebaute Vertrauen in den Westen zu zerstören. «Und nun hat der Angriff der USA so viel kaputt gemacht», sagt er. Donald Trump sei für die Konservativen das beste Geschenk gewesen.
Hormat Abbaszadeh informiert sich regelmässig auf diversen Kanälen über Neuigkeiten. Und er verfolgt auch das Geschehen im Iran. «In seinem letzten Freitagsgebet hat der Führer Chamenei gesagt: ‹Ich habe gesagt, dass die ihr Wort nicht halten werden›», so Abbaszadeh. Der Angriff der Amerikaner spielt den iranischen Traditionalisten in die Hände.
Trotz seiner Enttäuschung und der Angst vor einem Krieg glaubt Abbaszadeh, dass noch nicht alles verloren ist. Er ist ein grosser Bewunderer von Markus Leitner, dem Schweizer Botschafter in Teheran. «Er hat harte Arbeit geleistet, während Europa den Iran im Stich gelassen hat.»
Wenn Europa auch eine aktivere Diplomatie und auch Druck auf Amerika ausüben würde, könnten die Iraner zurück auf den Weg in Richtung Demokratie geführt werden, ist sich Abbaszadeh sicher. «Doch es braucht Zeit, besonders, um das verlorene Vertrauen wieder aufzubauen.»