«Schmetterling»
Die Bombe von Buchs war Hitlers Liebling

Es war eine «Schlachtfliegerbombe SD2», welche die Polizei am Mittwoch unter ihren Asservaten entdeckte und sprengte. Der Vorgänger der Streumunition wurde von den Nazis mit Vorliebe gegen lebende Ziele verwendet. Wegen ihrer Form nennt man diese Bomben auch «Schmetterlinge».

Ueli Wild
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Wie eine Konservenbüchse: die Nazi-Bombe von Buchs.
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Bombe mit geschlossenem Gehäuse.
Bombe mit geöffnetem Gehäuse (ohne Inhalt).
Bombe Buchs Hitlers "Schmetterling"

Wie eine Konservenbüchse: die Nazi-Bombe von Buchs.

Aargauer Zeitung

Die «Schlachtfliegerbombe SD2» war eines von Hitlers Lieblings-Kriegsgeräten. Das geht aus einer Fussnote in Ernst Stillas Dissertation mit dem Titel «Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft» (Bonn, 2005) hervor. Ein Beispiel für Hitlers Detaileingriffe im Bereich der Luftwaffe, schreibt der Autor, finde sich während der militärischen Planungen des Angriffes auf Sewastopol.

Gestützt auf eine Besprechungsnotiz vom 17. April 1942, stellt Stilla fest, Hitler selber habe nicht nur bestimmt, wie viele zusätzliche Flakbatterien zum Schutz der Belagerungsartillerie vom Typ Dora heranzubringen seien, sondern er habe auch «entscheidenden Wert auf die Verwendung von SD2-Bomben» gelegt.

«Gute Splitterwirkung vor allem gegen lebende Ziele»

Die zylinderförmige SD2 mit einem Durchmesser von 78 mm und einer Länge (inklusive Verbindungsstück) von 303 mm, auch «Butterfly Bomb» (Schmetterlingsbombe) genannt, war ein im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht eingesetzter Vorläufer der inzwischen weitherum geächteten Streumunition. Seit 2008 haben über 100 Staaten die Konvention über Streumunition unterzeichnet. 2010 ist diese in Kraft getreten.

Bilder vom Einsatzort in Buchs:

Bombenentschärfung in Buchs
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Bei der Entschärfung musste ein Helikopter helfen.
Auf der Rampe zwischen dem Geschäftsgebäude und dem Rasen wurde die Bombe entschärft.

Bombenentschärfung in Buchs

Kapo AG

Was die Nazis mit den tödlichen Schmetterlingen bezweckten, geht aus der Dienstanweisung vom 11. Februar 1941 hervor. Unter der Überschrift «Verwendungszweck» ist dort zu lesen: «Die SD2 ist eine Tiefangriffsbombe von guter Splitterwirkung insbesondere gegen lebende Ziele, Kolonnen, ungepanzerte Fahrzeuge/Flugzeuge und andere leicht verletzliche Ziele.»

Die SD2 wog rund 2 Kilogramm und war mit 250 Gramm «Füllpulver 2» (Deckname für den Sprengstoff TNT) gefüllt. Die Bombe konnte im Tiefangriff aus jeder beliebigen Höhe abgeworfen werden. Die zweckmässige Abwurfhöhe wurde mit 5 bis 50 Metern angegeben. Allerdings enthielt die Dienstanweisung diesbezüglich einen Warnhinweis: «Bei Flugzeuggeschwindigkeiten bis 400 km/h ist jedoch bei einer Abwurfhöhe unter 10 m mit Blindgängern zu rechnen.»

Nach dem Abwurf öffneten sich die Bremsflügel der SD2 im Luftstrom und drehten die Spindel des Zünders heraus. Für die Zündung gab es drei Varianten: Zündung beim Aufschlag, Zündung rund 200 Meter hinter dem Flugzeug (Zeit-Zündung) und nach Ablauf einer Verzugszeit von maximal 2,5 Sekunden nach dem Aufschlag beziehungsweise 2 bis 4 Sekunden nach dem Abwurf.

«Schmetterlingsbombe» wurde die SD2 genannt, da sich ihr Gehäuse öffnete und sich aus den «Büchsen- deckeln» ein Paar rotierender Flügel bildete. Die beiden Bremsflügel, bestehend aus dem Rest des aufgeklappten Gehäuses, sollten bewirken, dass schon aus einer Abwurfhöhe von 30 Metern eine seitliche Streuung von 20 bis 30 Metern auftrat. Diese reichte laut Dienstanweisung aus, «um Strassen bzw. Kolonnen mit dieser Munition wirksam zu überdecken».

Die SD2 wurde aber auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Offenbar so präpariert, dass sie beim Kontakt mit dem Finder detonierte. 1943 bombardierte die deutsche Luftwaffe die nordenglische Küstenstadt Grimsby. Dabei wurden 14 Menschen getötet und 11 schwer verletzt.

Mehr Opfer forderten Hitlers «Schmetterlinge»: Nach dem Bombardement verliessen die Menschen die Luftschutzbunker und Schutzräume und sahen, dass die Strassen von merkwürdigen, geflügelten Gegenständen übersät waren. Über 2500 heimtückische «Schmetterlinge» waren abgeworfen worden. Kinder, die sie für Spielzeug hielten, aber auch Erwachsene kamen mit ihnen in Kontakt. Über 30 Personen verloren so ihr Leben, ebensoviele wurden verletzt.

Wie fand die Nazi-Bombe den Weg in die Schweiz?

Nun liegt die Region Aarau aber weder auf der Krim, noch in England, noch sonst in einer Weltgegend, wo Hitlers Flieger Kampfeinsätze flogen. Wie also kommt eine «Schmetterlingsbombe» nach Aarau. Fakt ist, dass es im Zweiten Weltkrieg punktuell zu Kampfhandlungen zwischen der Schweizer Luftwaffe und deutschen Kampffliegern über schweizerischem Gebiet kam.

1940, im Zuge der deutschen Offensive gegen Westen, nahmen die Grenzverletzungen durch deutsche Flugzeuge zu. Im Mai und Juni 1940 erfolgten 233 Grenzverletzungen durch Nazi-Deutschland. Schweizer Kampfpiloten schossen 11 deutsche Maschinen ab. Zudem mussten deutsche Kampfbomber in der Schweiz notlanden. Die Schweizer Luftwaffe hatte in der gleichen Phase drei Tote und den Verlust zweier Flugzeuge zu beklagen.

Solange nicht weitere Fakten bekannt werden, steht die Frage nach der Herkunft der Aarauer Bombe im Raum. Kann sie von den Luftkämpfen von 1940 stammen? Die Dienstanweisung für die SD2 datiert erst vom 11. Februar 1941. Oder hat vielleicht ein Wehrmacht- oder NS-Fan so eine Bombe in die Schweiz gebracht?