Aarau
Der tägliche Spaziergang reicht nicht: Senioren trainieren für den Alltag

Die Regionale Informationsstelle Alter animiert die Bevölkerung, Fitnesscenter-Luft zu schnuppern

Peter Weingartner
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Physiotherapeutin Jasmin Schneider betreut den 74-jährigen Paul Musil auf dem Laufband. wpo

Physiotherapeutin Jasmin Schneider betreut den 74-jährigen Paul Musil auf dem Laufband. wpo

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In verschiedenen Altersheimen der Region stehen sie schon, die Fitnessgeräte. Die Aarauer Altersheime haben noch keine. Laut der zuständigen Stadträtin Angelica Cavegn Leitner, setzt man in Aarau auf einfache Hilfsmittel wie Gummibänder oder einen Besen, um mit den Senioren Fitness zu machen. Das funktioniere auch.

Um dennoch auf solche Angebote aufmerksam zu machen, unterstützte die Regionale Informationsstelle Alter ein Schnuppertraining der Hirslanden-Klinik mit dem Logo der Stadt Aarau. «Wir machen immer wieder Hinweise auf Veranstaltungen», sagt Markus Fontana, Leiter der städtischen Abteilung Alter. Im Nachhinein sagt er aber selbstkritisch: «Wir werden künftig vorsichtiger sein bei Anfragen von Profit-orientierten Unternehmen. Als Stadt wollen wir neutral sein.»

Bei welchem Anbieter man auch trainiert: Gezieltes Training von Kraft, Koordination und Gleichgewicht im Alter bringts – dies die Erkenntnis am Ende des Schnuppermorgens am Samstag. Einer der zwölf Teilnehmenden bilanzierte: «Jetzt muss ich handeln.»

Um Kalorien geht es auch

Florian Schmid, Sportphysiotherapeut und Physiotherapeutin Jasmin Schneider hatten in die Welt des gezielten Trainings per Maschine eingeführt. Paul Musil, 74, ist aus Neugier hier. Der einstige Eishockeyspieler geht einmal pro Woche wandern. Nun aber will ers wissen. «Versuchen Sie, aufrecht zu stehen», weist ihn Jasmin Schneider an, als er auf dem Laufband, pardon Crosswalker, steht. Und längere Schritte solle er machen. «Sieht man, wie viele Kalorien ich verbraucht habe?», will Musil wissen. Ja, man siehts.

Auch das Velo reizt Musil; Schneider korrigiert die Kopflage. Ergometer heisst die Maschine natürlich: «Versuchen Sie, gerade zu sitzen.» Schliesslich macht er noch etwas für die Arm- und Rückenmuskulatur. Rowing, heisst das Gerät, auf dem man ohne Wasser rudern kann.

Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Ab 20 beginnt der Abbau der Muskulatur, falls man nichts dagegen tut. Und im Alter nehme die Geschwindigkeit des Abbaus zu. Sich ins Unvermeidliche ergeben? Nein. Krafttraining kenne keine Altersbegrenzung. Sportphysiotherapeut Schmid: «Es ist nie zu spät, anzufangen.» Physiotherapeutin Schneider hat über 90-jährige Kundschaft.

Rund 80 000 Unfälle von Senioren, die eine Behandlung beim Arzt zur Folge haben, gibt es jährlich hierzulande. 90 Prozent davon ereignen sich in Garten, Haushalt und Freizeit. Als Prävention reiche das Spazieren eben nicht, sagt Schmid. Gezieltes Krafttraining könne Stürze vermeiden und trage zu einem selbstbestimmten Leben, zur Lebensqualität also, wesentlich bei. Eine starke Skelettmuskulatur bedürfe der Pflege, ansonsten auch Organe wie Lunge oder Verdauungsorgane litten.

Gleichgewichtsübungen

Florian Schmid und Jasmin Schneider zeigen die Grenzen ihres Gleichgewichts auf: Füsse eng nebeneinander, Kopf drehen. Und jetzt noch die Augen zu. Nun auf einem Kissen stehend. Da nimmt die Unsicherheit deutlich zu. «Man übt das, was gerade noch geht», sagt Jasmin Schneider. Genau dort würden die Kunden abgeholt. Ein-Bein-Stand, aber ohne sich zu halten. Trapezstand, Füsse hintereinander. «Die Kraft fehlt», sagt eine Frau, die bislang auf Ausdauer gesetzt hat.

Das Gleichgewichtstraining lässt sich gut in den Alltag integrieren: Ein-Bein-Stand beim Zähneputzen, beim Liftfahren oder an der Bushaltestelle. Wobei das Liftfahren eigentlich tabu sein müsste.