Aarau
Der grosse Werner Arber: Nobelpreisträger kehrte an die Alte Kanti zurück

Der 90-jährige Nobelpreisträger Werner Arber hielt ein Referat an der Alten Kanti, die er in den Vierzigerjahren besucht hatte.

Peter Weingartner
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Werner Arber ist 90. Er wurde 1929 in Gränichen geboren.
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Werner Arber an der Alten Kanti Aarau im Juni 2019
Arber zeigte seine «Hauptmessage.
Arber referierte auf Einladung der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft in der Alten Kanti.

Werner Arber ist 90. Er wurde 1929 in Gränichen geboren.

Peter Weingartner

Es muss ein besonderer Jahrgang gewesen sein, der am 2. April 1949 im Saalbau Aarau aus der Hand von Rektor Walter Gerster das Maturitätszeugnis erhalten hat. «Wir sind jedes Jahr weniger; dabei waren wir fast 30 Leute», sagt Werner Arber, Nobelpreisträger 1978 für Physiologie oder Medizin, bevor er in der Aula der Alten Kanti seinen Vortrag hält. Jüngst hätten sie Klassenzusammenkunft gehabt: drei Männer, eine Frau. «Die Tochter unseres Französischlehrers», lacht er. Und ein ehemaliger Mitschüler ist da, Peter Steiner, Doktor der Geschichte, Wynentaler Talchronist. Was beweist: Die Kanti hat verschiedene Talente gefördert.

Forscher statt Lehrer

In einer Stunde versucht Werner Arber, der in Gränichen aufgewachsen ist, dem fachkundigen Publikum sein Forschungsgebiet, die mikrobakterielle Genetik, näher zu bringen. Mag sein, dass der 90-Jährige nicht mehr so gut zu Fuss ist, aber er weiss sein Publikum zu fesseln mit seinem Wissen. Er sitzt in schwarzen Sneakers auf der Bühne der Aula der Alten Kanti, die Beine übereinandergeschlagen, vor dem Laptop und erklärt. Auch seinen Werdegang, der ihn dank Physikprofessor Paul Scherrer statt vor eine Schulklasse vor das Elektronenmikroskop und damit zur Forschung brachte.

Von der kosmischen ...

Ja, der Zufall. Der spielt auch in seinem Fachgebiet, der Molekulargenetik, eine Rolle. Arber wirft aber zuerst, als Rahmen quasi, einen Blick in die kosmische Evolution, beispielsweise auf die Lebensdauer der Sonne. «Sie brauchen keine Angst zu haben», sagt er, und es ist ihm wichtig, klarzustellen: «Wir sind für längere Zeit, nicht bloss ein, zwei Generationen verantwortlich für das Leben auf unserem Planeten.»

... zur biologischen Evolution

Arber zeigt, darin Charles Darwin folgend, die Entwicklung von Mikroorganismen, Einzellern über menschenartige Wesen zum Menschen, der, als er vor 10'000 Jahren begann, Tiere zu zähmen und Pflanzen zu kultivieren, den Startpunkt der menschlichen Zivilisation setzte. Und dies auf verschiedenen Kontinenten gleichzeitig. «Ich schreibe diesen Schritt der Intelligenz des Homo sapiens zu», sagt Arber.

Beitrag zur Genforschung

Und dann kommt er vom Grossen ins Kleine und auf sein Spezialgebiet, die molekulare Mikrobiologie. Er beschreibt, wie genetische Variationen entstehen, wie Gene transferiert werden können. Bakterielle Viren können ihr Erbgut auf Bakterien übertragen, was medizinische Probleme verursachen kann: Antibiotika-Resistenz.

Arbers Entdeckung der Restriktionsenzyme gab der Gentechnikforschung in den sechziger Jahren entscheidende Impulse. Restriktionsenzyme können Abschnitte auf der DNA erkennen und sie «zerschneiden». Und spätestens hier wirds für den Laien schwierig.

Vielfalt für nachhaltige Evolution

Tröstlich: Auch vier junge Doktorierende der ETH Zürich – drei Frauen und ein Mann zwischen 23 und 27 – haben ihre Fragen zu den Genomen von Bakterien von allen Lebewesen, die evolutionär, also für die Zukunft wirken und nicht im Leben des Individuums. Seis drum: Werner Arbers Schluss ist klar. Mutationen und Austausch von genetischen Informationen und ein Gen-Pool von vielfältigen Lebewesen sind wichtig für eine nachhaltige Evolution.

In einem Satz, Arber zeigt es in seiner Handschrift, formuliert er seine «Hauptmessage»: «Wir verdanken unser Dasein der permanenten Schöpfung mittels seit einigen Milliarden Jahren wirkender biologischer Evolution zu einer grossen Vielfalt von Lebewesen in dem sich ebenfalls allmählich evoluierenden Weltall.»

Prorektor profitiert

Am Ende beantwortet Werner Arber sehr fachspezifische Fragen. «Tut mir leid», sagt er, als er eine nicht beantworten kann. Man sieht es ihm gerne nach, und wenn er Musik gemacht hätte, wäre er um eine Zugabe nicht herumgekommen. Er leistet sie doch noch, als Prorektor Peter Hänsli wissen will, was er in zehn Tagen seinen Maturi und Maturae auf den Weg mitgeben soll. Wie ein Genetiker auch Einblick in ethische Fragestellungen haben müsse, so empfiehlt Arber, gute Vorlesungen aus anderen Fachgebieten zu besuchen, als Naturwissenschaftler beispielsweise Literatur und umgekehrt. Transdisziplinarität. «Ich habs notiert», sagt Peter Hänsli, und ab gehts zum Apéro im Hof, wo salzige und süsse Häppchen warten und der Nobelpreisträger sich ein kühles Bier genehmigt und weiterdiskutiert.