Alle reden vom Januarloch, gesehen hat es keiner – eine Suche an der Fotoausstellung in der Stadtbibliothek.
«Sommerloch» ist eine Ortsgemeinde im Landkreis Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz. Aber Januarloch? «Keine Ahnung, was das sein soll», sagt ein Fünftklässler in der Stadtbibliothek Aarau. Und er kann sich auch nichts Konkretes darunter vorstellen. Immerhin kennt der Duden das Wort inzwischen, allerdings bloss als Zeit, in der nichts läuft. Dabei ist das als «schweizerisch» (ausgerechnet) deklarierte Wort auch die Zeit, in der im Portemonnaie Ebbe herrscht.
«Den Ausdruck kenn ich wohl», sagt Klaus Berger aus Aarau, der mit seiner Frau die Bibliothek besucht, und lacht. «Aber wir haben nie eins gehabt.» Einteilen, nicht über die Verhältnisse leben, man habe es nicht anders gelernt, sagt er. «Das war früher auch leichter», gibt er zu bedenken, da niemand mehr als andere besessen habe, kein Konsumdruck. Eine andere Zeit eben.
Gibt es vielleicht ein Januarloch in der Bibliothek? Bibliotheksleiterin Lilo Moser: «Im Gegenteil, im Januar ist sehr viel los, man hat Zeit zum Lesen. Der Januar ist einer der besten Monate überhaupt.» Januarloch: Fällt man da hinein, weil nach Tagen der festtäglichen Völlerei der Alltag zurückkommt? Einer gewissen Logik nicht entbehren würde das Januarloch als Loch im Gurt. Während die einen ihn um ein, zwei Löcher weiter machen müssen, schnallen die anderen ihn gezwungenermassen enger.
Die Fotos, die der Suhrer René Mollet und Gianluca Venditti aus Schönenwerd in der Bibliothek zeigen, befassen sich mit beiden Aspekten: Not und Überfluss. «Januarloch – Armut» lautet die Affiche. René Mollet zeigt in seinen Schwarz-Weiss-Bildern Menschen in Armut: Bettler, Strandverkäufer, Wartende. Die Zitate zu den Strassenbildern unterstreichen jeweils die Bildaussage. «Für einen leeren Sack ist es schwer, aufrecht zu stehen», hat Benjamin Franklin gesagt. Januarloch? Ganzjahresloch. Januarloch ein Leben lang. Bild und Texte klagen an, geben zu denken, rütteln vielleicht auf. Hinter den Bildern stehen Begegnungen mit realen Menschen.
Gianluca Vendittis farbige Bilder gehen das Thema von der anderen Seite an. Der Fotograf zeigt als Kontrast zur offensichtlichen Armut ästhetisierend den verrottenden Überfluss. Die Leere in der Fülle: Der Schimmel schreitet voran. Grau ist er, nicht weiss. Nahrungsmittel vergammeln. Schöne Bilder mit Hintersinn.
Dem italienischen Strandverkäufer von Cecina auf Mollets Foto schmettern die Touristen «Brauchenix!» entgegen, weil sie ihn loswerden wollen, wenn er Sonnenbrillen verkaufen will. Und so nennt sich nun der Familienvater aus Afrika: Brauchenix.
Die Ausstellung in der Stadtbibliothek dauert noch bis zum 28. Februar