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Schulhäuser günstiger bauen – ohne vorherigen Architekturwettbewerb. Seit das Büro Architektur- Support 2 aus Schöftland mit dieser Strategie an die Öffentlichkeit ging, folgte ein Proteststurm.
Viele sahen rot: Gemeindeammänner, Baufachleute – auch der Schweizer Ingenieur- und Architekturverein SIA. Von «sachlicher Ahnungslosigkeit» war die Rede, von «unhaltbaren Behauptungen» und einem Imageschaden «für seriös operierende Behörden und Planer».
Die az lud deshalb Michel Schneider von Architektur-Support 2 zu einem Gespräch mit einem vehementen Gegner ein: Alfred Kohli vom Wohler Ingenieur- und Planungsbüro Kohli und Partner, welches schon für viele Gemeinden im Kanton die Schulraumplanung gemacht hat. Beide sagten zu und sassen sich schliesslich gegenüber: Der eine gelassen und selbstbewusst, der andere nicht weniger selbstbewusst aber aufgebracht. Vielleicht war auch eine Prise Neugierde dabei.
Denn wie, wollte Kohli als Erstes wissen, geht deren Rechnung auf? Und welche Ausbildung haben die beiden Geschäftsführer von Architektur-Support 2? Architekt HF und Innenarchitekt HF sind Daniel Lischer und Michel Schneider. Demgemäss verlangen sie auch keine Architektenansätze, sondern gemäss Honorartarif 115 Franken pro Stunde. Die Teamleistung mit allen Angestellten wird im Schnitt mit 105 Franken pro Stunde verrechnet – bei Büros mit diplomierten Architekten sind 130 Franken üblich.
Rechnet das Büro Architektur-Support 2 korrekt?
Alfred Kohli: Ja, entsprechend ihrer Ausbildung. Aber die Gemeinde muss sich des Risikos bewusst sein, wenn sie einen anstellt, der nicht Architekt ist, sondern Bautechniker.
Michel Schneider: Das ist unsere Firmenpolitik. Sie vertreten das Vorgehen nach den SIA-Normen. Wir vertreten zusätzlich auch noch die Kunst des Weglassens. Man muss zum Beispiel vor dem Bauprojekt nicht zwingend ein Vorprojekt machen. Wenn klare Vorstellungen da sind und eine Gemeinde einen Bau in einer Besprechung auf dem Flipchart skizzieren und relativ genau definieren kann, brauche ich kein Vorprojekt.
Dazu reicht tatsächlich eine Skizze auf einem Flipchart?
Schneider: Ja. Die Parzelle, die Abstände und der Raumbedarf – das war in Rothrist schon klar. Mit ein paar Optimierungen kreierten wir für die Behörden ein gelungenes Projekt. Die Reinacher haben nach einer Objektbegehung eine Baukommission gegründet, und wir haben das Projekt angepasst.
Kohli: Was haben Sie angepasst?
Schneider: Sie brauchen keinen Kindergarten, dafür mehr Schulräume. Mit dem modularen System können wir auf Bedürfnisse eingehen, insbesondere auch bei der Fassade. Mit dieser Elementbauweise können wir auch die Kosten zum Voraus möglichst genau definieren.
Bleiben wir bei der Kostengenauigkeit. Die Gegner vermuten, dass diese schlechter sei, weil Sie nicht alle Leistungsphasen bearbeiten und das Projekt dann einem Generalunternehmer (GU) in die Hand geben. Richtig, Herr Kohli?
Kohli: Ich möchte zuerst mal wissen, ob Sie eine Ausschreibung gemacht haben, vor der Vergabe an einen Generalunternehmer.
Schneider: Ja, das haben wir. Die Ausschreibungsunterlagen für den GU umfassten einen Ordner. Darin haben wir sämtliche Arbeiten und derer Qualitäten definiert, von der Akustik, der Haustechnik, den Dämmwerten bis hin zu den Materialien.
Kohli: Waren die Differenzen der Offerten der Generalunternehmer gross?
Schneider: Es wurden sechs Angebote eingereicht. Die Differenzen waren klein, weil die detaillierte Ausschreibung nicht viel Spielraum zuliess.
Wie kam der Schulhausbau in Rothrist raus?
Schneider: Hervorragend. Ein schlichter Bau mit funktionalen Schulräumen zur Zufriedenheit der Bauherrschaft.
Kohli: Das ist Ihre Aussage. Das Haus steht jetzt einfach da wie geplant, aber mit einer gestalterischen Leistung hat das nichts zu tun. An unseren Wettbewerben geben immer sieben Architekturbüros ihre Projekte ab, da gleicht keines dem anderen und jedes ist architektonisch hochstehend.
Sie bemängeln, dass die zur Umgebung passende Gestaltung fehlt.
Kohli: Ja. Der Kanton Aargau legt grossen Wert auf das Ortsbild. Ein zentrales und öffentliches Gebäude hat einen grossen Stellenwert. Und eine andere Lebensdauer.
Kann da wirklich ein Haus in das Dorf gestellt werden, wie Sie es bauen?
Schneider: Dass man sich mit diesem Verfahren ein gewisses Ideen-Spektrum verspielt, haben wir von Beginn weg gesagt.
Und nicht überall kann so gebaut werden, richtig?
Kohli: Sicher. Sie haben einfach gesagt, in diese Ecke kommt es und fertig. In Rupperswil ist das anders. Das neue Schulhaus steht mitten im Dorf neben bestehenden Schulhäusern.
Wäre es mit Ihrer Strategie in Rupperswil nicht gegangen?
Schneider: Partout würde ich das nicht ausschliessen. Aber obwohl ich in Rupperswil aufgewachsen bin, kenne ich nicht alle Details. In Reinach liegt das Schulhaus auch mitten im Dorf und der Neubau muss an Bestehendes angepasst werden. Man kann unser System auch örtlich anpassen.
Herr Schneider, Sie sorgen für Rebellion unter den Schulhausplanern.
Schneider: Wir haben ein kantonales Problem, weil das Schulsystem auf 6/3 umgestellt wurde und fast überall gebaut werden muss. Am Ende geht es doch darum, dass die Kinder genügend Schulraum haben und dass dabei weder Geld noch Zeit unnötig verschwendet werden. Es werden schöne monumentale Bauten geplant. Solche Projekte scheitern teilweise an den Gemeindeversammlungen.
Kohli: Ja, weil Sie jetzt mit solch tiefen Zahlen hausieren. In Rupperswil hätte man den Wettbewerb nicht weglassen können. Wenn Sie dort zur Schule gegangen sind, wissen Sie, dass die beiden Schulhäuser unterschiedliche Niveaus haben und nicht behindertengerecht sind.
Das ist klar: Die Billig-Strategie geht nicht in allen Fällen. Herr Kohli, würden Sie sie selbst bei Gemeinden nicht akzeptieren, wo dies möglich ist, die knapp bei Kasse und wegen Platznot unter Zeitdruck sind?
Kohli: Ich habe viele Schulplanungen gemacht und ich weiss, dass einige Gemeinden Mühe haben, die Schulhäuser zu bezahlen.
Was schlagen Sie denen vor?
Kohli: Ich schlage sicher nicht so was vor. Man kann einen Gesamtleistungswettbewerb machen, wie wir es in Hausen und Oftringen taten. In diesem Fall lassen wir die GUs ihre Projekte mit ihren Architekten überarbeiten, bis sie stimmen. Am Ende können wir das Projekt auswählen. Aber einen GU kann man nicht überall einsetzen.
Wie gingen Sie in Rupperswil, Hunzenschwil und Unterentfelden vor?
Kohli: Wir haben die Präqualifikation und den Projektwettbewerb gemacht. Wir haben immer 30 bis 50 Interessenten und die Fachjury wählt sieben Teilnehmer aus – nicht die Verwaltung.
Schneider: Wir haben von verschiedenen Gemeinderäten gehört, dass sie finden, in der Jury sollte die Verwaltung in der Mehrheit sein. Denn die Gefahr besteht, dass das Ziel der Gemeinde verfehlt wird.
Kohli: Diese Leute kennen das Mecano nicht! Wir haben sowohl Fachleute wie die Verwaltung, Behörden und Lehrer in der Jury. Probleme werden bis zur Einstimmigkeit ausdiskutiert. Die Ammänner von Rupperswil, Schafisheim und Hunzenschwil sind alle zufrieden.
Wie werden die Architekten entlöhnt?
Kohli: Wir fordern mit dem Projekt auch ein Couvert mit der Honorarofferte ein. Wenn das Projekt gewählt ist und das Honorar über dem Durchschnitt der anderen liegt, verhandeln wir. Das ist eine saubere Sache. Alles andere nicht.
Das Vorgehen von Schneider und Lischer finden Sie nicht sauber?
Kohli: Das sage ich nicht. Aber sie bearbeiten nicht alle Leistungsphasen.
Schneider: Das ist der Punkt. Wir suchen einen zielorientierten Weg durch die ordentlichen Planungsphasen.
Sie lassen die Auswahl weg, die Gestaltung, das Vorprojekt – und überlassen die Ausführungsplanung und die Bauleitung dem GU.
Kohli: Die Detailprojektierung auch.
Schneider: Die fällt nicht weg, die macht der GU. Sämtliche Korrekturpläne gehen bei uns über den Tisch, wir haben somit die Kontrolle über die Ausführung bis zur Bauabrechnung.
Kohli: Sie geben 45 % der sonstigen Planungsarbeit dem GU ab und lassen 40 % weg. Sie erbringen nicht alle Leistungen – vielleicht noch 15 %.
Schneider: Es ehrt mich, wenn Sie behaupten, mit nur 15% und einer tieferen Ausbildung ein ansprechendes Schulhaus realisiert zu haben.
Muss man denn streng nach Lehrbuch gehen?
Kohli: Wenn wir von einem Lagergebäude reden würden, wäre es was anderes, aber hier geht es um eine öffentliche Bildungs-Baute mit einem qualitativen und funktionalen Anspruch an die Gestaltung und Nachhaltigkeit.
Schulhäuser sollen Ihrer Meinung nach Vorzeigebauten sein?
Kohli: Ja. Es kommt auf die Nutzung sowie den Standort und dessen Umgebung an. Wir haben in Schafisheim das Land des Sportplatzes bewusst nicht für die Schulhauserweiterung freigegeben. Sie braucht mehr Land.
Schneider: Wir können nicht nur auf die grüne Wiese bauen. Aber ich will gar nicht sagen, dass das, was Sie machen, falsch ist. Unser Ziel war es bloss, Gemeinden eine andere Möglichkeit aufzuzeigen.
Kohli: Wenn es wegen Baumängeln zum Prozess kommt, weil der Ablauf nicht lupenrein war, dann trifft es jemand.
Wen trifft es?
Kohli: Den Schuldigen in diesem Ablauf, der nicht alle Leistungen erbracht hat.
Gehen Sie also mehr Risiken ein, Herr Schneider?
Schneider: Nein. Sie reden von der Statik. Die Statik-Berechnungen gehören in die Leistungen des GU. Der Unternehmer kann sich nicht hinter unseren Vorgaben verstecken. Er haftet gemäss sämtlichen SIA-Normen für seine Arbeit selbst.
Kohli: Die SIA-Richtlinien sind nicht zufällig entstanden. Das Regelwerk wurde von Architekten und Ingenieuren ausgearbeitet und hat sich bewährt. Sie nehmen nur Teile davon raus.
Schneider: Ist Effizienz strafbar? Die Architekten rechnen auch im privaten Wohnungsbau je länger, je mehr nach effektivem Stundenaufwand ab. Was diskutieren wir über Leistungsprozente, wenn die Lehrer, Schüler und Behörden mit dem Bauwerk zufrieden sind.
Kohli: Mit dem minimalen Aufwand!
Schneider: Genau.
Kohli: Die Frage ist, ob eine Gemeinde das alles vernachlässigen kann. Von jedem privaten Bauherrn wird ein sauberes Projekt verlangt. Sie erbringen an einem öffentlichen Gebäude nur einen minimalen Aufwand und lassen einen der wichtigsten Teile, ein fundiert erarbeitetes Projekt, welches architektonisch und ökonomisch durchdacht ist, weg.