Wahlen 2011/AG
CVP-Präsident Hollinger: «Wir prüfen Forderung nach einer Nachzählung»

Wenige hundert Stimmen haben über den zweiten CVP-Sitz im Nationalrat entschieden. Das Mandat ging schliesslich an die FDP. Nun prüft CVP-Präsident Franz Hollinger, ob die Partei eine Nachzählung fordern soll.

Mathias Küng
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Ein bedrückter Franz Hollinger nach Bekanntwerden von zwei Sitzverlusten. Chris Iseli

Ein bedrückter Franz Hollinger nach Bekanntwerden von zwei Sitzverlusten. Chris Iseli

Herr Hollinger, konnten Sie in der Nacht auf den 24.Oktober schlafen?

Franz Hollinger: Ich habe schlecht geschlafen und war schon eine halbe Stunde wach, als der Wecker schellte. Was mir sonst selten passiert.

Ihr erster Gedanke am Morgen?

Ich dachte, es wäre schön, wenn ich das, was geschehen ist, nur geträumt hätte. Ich musste aber sogleich realisieren, dass dem nicht so ist.

Am Sonntag rechneten Sie lange damit, dass die CVP zwei Sitze halten kann. Wann kam der Schock?

Wir rechneten wirklich damit, dass es für den zweiten Sitz reicht. Gewiss lagen wir vor Bekanntwerden der Resultate aus dem letzten Bezirk Baden gar unter 10 Prozent. Doch Baden ist der weitaus grösste Bezirk und dort sind wir stark. Das sollte helfen, diese Hürde zu nehmen. Es hat dann leider ganz knapp nicht gereicht.

...und der Sitz ging an die FDP.

Ja, ganz knapp. Aufgrund der sehr kleinen Differenz von etwa 120 Stimmen, die über den zweiten Sitz entschieden haben, prüfen wir, ob wir eine Nachzählung fordern sollen.

Esther Egger hatte den zweiten Sitz inne. Konnten Sie am Sonntag mit ihr reden?

Ja. Für Esther Egger ist das natürlich eine Tragödie. Ich kann es nachfühlen. Wir versuchten, sie zu trösten. Es war nicht ihr Fehler. Esther Egger hat in Bern gute Arbeit geleistet. Sie wurde auch von niemandem überholt. Ein Sitzverlust ist dann besonders tragisch, wenn die Partei Wähleranteile verloren hat.

Die CVP hat national Stimmen verloren, aber deutlich weniger als im Aargau. Was lief hier schief?

Das Erstarken der neuen Mitteparteien, vorab der BDP, erfolgte im Aargau - anders als in Bern oder Graubünden - nur sehr wenig zulasten der SVP. Die Aargauer SVP konnte sich denn auch mehr oder weniger halten, während sie national deutlich verloren hat. Die BDP holte im Aargau ihre Stimmen eher bei der CVP als bei der FDP. Bei der GLP wohl eher bei der FDP.

Doch woran lag es?

Der Reiz des Neuen war offenbar recht gross. Zudem gibt es jedesmal einen Teil Protestwähler, die damit den etablierten Parteien einen Wink mit dem Zaunpfahl geben können.

War es nicht mehr?

Wenn ich sehe, wie der Stimmenanteil der BDP von der ersten zur zweiten az-Umfrage hochgeschnellt ist, kommt mir die zwischenzeitliche Diskussion über die Zukunft von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in den Sinn. Ich glaube, dass es eine Strömung zugunsten der BDP gab, um Widmer-Schlumpf zu stützen. So wie vor vier Jahren manche SVP wählten, um Blocher zu stärken. Die Reaktionen der BDP und von Bundesrätin Widmer-Schlumpf am Sonntag zeigen: diese Überlegung ist nicht von der Hand zu weisen.

Was muss die CVP anders machen?

Wir bemühen uns, unsere Botschaften plakativer herüberzubringen als früher. Das ist mit unseren nationalen Familieninitiativen und unserer kantonalen Initiative zum Einbürgerungsrecht auch gelungen. Und doch müssen wir wohl noch eingängiger auftreten. Es nützt ja nichts, wenn man sehr differenziert argumentiert und darob «in Schönheit stirbt».

Hat nicht die lange Zeitdauer, die die Aargauer CVP für einen Entscheid zum Atomausstieg brauchte, der Partei geschadet?

Die Atomdiskussion war sicher nicht hilfreich. Aber sie musste stattfinden. Und sie musste gründlich stattfinden. Wir haben schliesslich einen klaren Entscheid gefällt, der aber nicht honoriert wurde.

Viele Medien sahen am Sonntag eine Stärkung der Mitte. Und Sie?

Ich sehe nicht grad eine Stärkung, aber eine Vergrösserung der Mitte. Die Parteien in der Mitte werden aber nicht überall gleicher Meinung sein. Und die neuen Parteien werden ihr Profil noch schärfen müssen.