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Ein junger Mann aus der Region Aarau war angeklagt, weil er bei einer Prügelei zu weit gegangen war. Auch warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, seinen BMW zu stark beschleunigt zu haben.
«Jugendsünden», so nennt es Kevin (alle Namen geändert) selber vor Gericht, hätten ihm die Verfahren eingetragen. Erst gerade war er wegen Landfriedensbruch und Vergehen gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden, als er schon wieder mit dem Gesetz in Konflikt geriet: Im November 2020 beteiligte er sich an einer nächtlichen Prügelei beim «Starbucks» in der Aarauer Igelweid.
Gemäss Anklageschrift war das spätere Opfer, Abdul, gerade daran, bei einem zur Eröffnung vorbereiten Laden Ballone platzen zu lassen. Ein dritter junger Mann fühlte sich provoziert, es entstand eine Prügelei. Und irgendwann kam Kevin, damals Anfang 20, dazu. Vor Gericht erzählte er diese Woche: «Es gab Stress zwischen zwei Parteien. Ich wollte schlichten. Da sprang er auf mich los. Ich wusste nicht, ob er ein Messer oder so hat, da habe ich mich selbst verteidigt.»
Selbstverteidigung, das heisst im Fall von Kevin ein Kick «Richtung Ohr». Wo genau er das Opfer getroffen hatte, ging aus der Verhandlung nicht hervor. Auch nicht, ob Kevin alkoholisiert gewesen war – er stritt es vor Gericht ab, sein Verteidiger hingegen sagte, es sei «auf beiden Seiten zu viel Alkohol im Spiel gewesen».
Fakt ist, dass Abdul nach dem Tritt zu Boden ging, mit dem Kopf auf den Asphalt knallte und bewusstlos liegenblieb. Er verbrachte wegen eines Schädel-Hirn-Traumas und dem Bruch eines Gesichtsschädelknochens mehrere Tage im Spital. Und Kevin musste wegen versuchter eventualvorsätzlicher schwerer Körperverletzung vor Gericht antraben. Auch das Verursachen von unnötigem Lärm warf ihm die Staatsanwaltschaft vor: Kevin soll an einem Sonntag seinen BMW auf der Aarauer Bahnhofstrasse zu heftig beschleunigt haben.
Er habe nicht gesehen, dass das Opfer nach dem Fusstritt zu Boden ging, sondern er habe sich umgedreht und sei direkt heimgegangen, berichtete Kevin der Gerichtspräsidentin von der Tatnacht. «Sie wären auch nicht geblieben, wenn Sie sich bedroht gefühlt hätten.» Das Opfer habe er zuvor nicht gekannt, und auch nicht gesehen, wer genau da aufeinander losgegangen sei. Vor kurzem habe er sich mit Abdul versöhnt, «wir haben uns die Hand gegeben». Zudem bezahlte er Abdul 1000 Franken Genugtuung; freiwillig.
Nicht ganz deutlich wurde, ob Kevin zum Tatzeitpunkt noch in der FC-Aarau-Fanszene drin gewesen war; und inwiefern dies eine Rolle spielte. In der Anklageschrift ist die Fangruppierung erwähnt, und auch die Vorstrafe trug sich Kevin offensichtlich in diesem Zusammenhang ein. Vor Gericht betonte er jedoch, dass er «mit dem ganzen Fussballzeug» abgeschlossen habe. Überhaupt zeigte er sich äusserst reuig, er habe «sein Leben gedreht» und «aus der Situation gelernt»: «Ich würde es nicht mehr so machen, es tut mir leid.»
Der Verteidiger forderte Freisprüche von allen Vorwürfen. Es habe sich beim Tritt um Notwehr gehandelt, ein «entschuldbarer Affekt» angesichts der «situativen Überreaktion aller Beteiligten». Und was den verursachten Autolärm angeht, so befinde sich dieser «an der Grenze zum strafbaren Verhalten», habe sie aber nicht überschritten. Auch kritisierte der Verteidiger die Video-Beweisführung der Stadtpolizei in dieser Sache. «Es ist ein lautes Auto», sagte Kevin hierzu. «Aber ich bin normal gefahren – im automatischen Modus, der manchmal in den Sportmodus wechselt.»
Die Gerichtspräsidentin fand ebenso, die Beweise bezüglich Autolärm reichten nicht für eine Verurteilung aus. Allerdings sprach sie Kevin wegen des Tritts schuldig. Er kassiert eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren. Ausserdem muss er eine Busse von 2000 Franken, sowie sämtliche Gebühren zahlen – und die Vorstrafe von 9000 Franken wird nun fällig. Insgesamt wird ihn der Fusstritt wohl um die 15’000 Franken kosten.