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Rennende Feuerwehrleute, Polizisten, die aufgeregt in Funkgeräte sprechen, fragende Blicke von Umstehenden und Kerzen am Strassenrand – das erlebte die az-Reporterin vor Ort.
«In Rupperswil brennt ein Haus, die Lokalsender melden, es seien bereits Leichen gefunden worden, das ist aber noch nicht offiziell bestätigt. Wir brauchen Fotos, um sie sofort online stellen zu können», hiess es heute vor einem Jahr, am 21. Dezember 2015, im Newsroom der Aargauer Zeitung.
Und: «Es tut uns leid, alle anderen sind im Einsatz, du musst einspringen.» In meinem Kopf stellt sich bei solchen Sätzen alles auf Gegenwehr: Man braucht sofort Bilder von einem Brand, bei dem Menschen gestorben sein könnten? Aber ich bin hingefahren. Ins Spitzbirrli-Quartier in Rupperswil.
Ich habe vom Parkplatz aus mit meinem veralteten Handy ein Foto des Quartiers samt Feuerwehrautos ans Online-Team geschickt. Pflicht erfüllt. Vielleicht war ich ja die Richtige für diesen Job, gerade weil ich nicht auf Sensationen aus war, dennoch aber wusste, dass die Leute informiert sein wollten.
Letzteres wurde sofort deutlich: Was mich erwartete, nachdem ich Dutzende am Feldweg geparkte Autos hinter mir gelassen hatte, waren viele Menschen, die an einer Absperrung warteten und jeden mit Sorgenfalten und fragendem Blick anschauten, der die Szenerie betrat oder verliess.
Niemand wusste, was geschehen war. Viele bangten um Bekannte und Nachbarn. Ich wurde von einem Polizeibeamten an den Absperrungen vorbei bis zu Kantonspolizeisprecher Roland Pfister geführt, der mich ernst, aber freundlich empfing.
Ich erinnere mich an die weihnachtlich geschmückte Eingangstür eines Hauses, vor dem wir auf den Pflastersteinen und unter dem Carport warteten, während Polizei, Feuerwehr, Spurensicherung und Care-Team das kleine Quartiersträsschen auf und ab rannten, gingen oder fuhren.
Wir warteten mehrere Stunden. Etwa alle 45 Minuten kam Roland Pfister von Stabsbesprechungen zurück und informierte uns. Es gehe um die weisse Doppeleinfamilienhaushälfte mit den blauen Rollläden, sagte er. Anfangs konnte er nicht bestätigen, ob Menschen darin umgekommen seien – später sagte er uns, es seien vier.
Langsam wurde es Abend, dunkel, kalt. Die Spekulationen waren in vollem Gang, das erfuhr ich telefonisch aus dem Büro. Die Lokalsender befragten die Umstehenden, was passiert sein könnte, ob Vermutungen da seien, ob jemand etwas wisse. Immer wieder musste Pfister vor die eine oder andere Kamera treten. Aber mehr erfuhr niemand.
Irgendwann musste ich zurück ins Büro. Die meisten anderen Medienschaffenden taten dasselbe. Wieder kam ich an den Absperrungen der Polizei vorbei. Die fragenden Gesichter der Nachbarn waren noch nicht verschwunden.
Und bereits standen Kerzen am Strassenrand. Ich war erstaunt darüber, denn man wusste noch gar nicht, wer die Opfer waren. Aber es gab erste Vermutungen. Auf dem Weg zurück zum Auto wurde ich von zwei Leuten angesprochen. «Was ist denn passiert?», fragte eine Frau mit Kinderwagen. Ich schilderte kurz, was man bereits wusste, und sie hielt sich erschüttert die Hand vor den Mund.
Einige Schritte weiter fragte mich ein junger Mann, ob ich wisse, welches Haus es sei, denn er habe Freunde in dem Quartier und mache sich Sorgen. Gemeinsam konnten wir seine Angst entkräften, es schien ein anderes Haus gewesen zu sein.
Er bedankte sich erleichtert. Leider konnten nicht alle an diesem Abend aufatmen. Und was die Ermittlungen am Ende ergeben haben, war ein grosser Schock auch für uns alle, die wir die Opfer nicht gekannt haben.
Andrea Weibel ist az-Redaktorin im Freiamt. Sie war vor einem Jahr temporär im Ressort Aargau tätig und als erste az-Reporterin in Rupperswil.