Aarau
Ab heute heisst es: «z’Aarau esch de Adler los» – mit einer Weltpremiere

Am Donnerstag startet das Eidgenössische Volksmusikfest mit einem besonderen Auftritt. Nach langer Vorbereitung treten eine Brass-Formation, ein Ländlertrio und ein Glöckner am Abend auf.

Nadja Rohner
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Das gab es noch nie: Eine Brass-Formation, ein Ländlertrio und ein Glöckner treten am Donnerstagabend zusammen auf, um das Eidgenössische Volksmusikfest musikalisch zu eröffnen. Für den Auftritt vor grossem Publikum haben sie vor gut einer Woche erstmals gemeinsam geprobt – die az durfte dabei sein.

Der Turm ist zu weit weg

Wir sind in einem Musikzimmer der Schule Oftringen. Gleich kommt es zu einem grossen Moment: Knapp eine Woche vor dem grossen Auftritt am Musikfest proben erstmals alle beteiligten Formationen gemeinsam die Eröffnungskomposition.

Mit «Quasimodo» stellt sich Hubert Schäpper vor, und deutet eine Verbeugung an. Er muss den Spitznamen schon unzählige Male gehört haben: Schäpper ist als «Glöckner von Aarau» bekannt, seit über 40 Jahren bedient er das Glockenspiel – auch Carillon genannt – im Obertorturm.

Wer es noch nie hören konnte, hat bei der Volksmusikfest-Eröffnung heute Donnerstag Gelegenheit dazu: Um 17.05 Uhr, nach den drei Salut-Schüssen des Artillerievereins. Dann werden die Festbesucher auf dem Kirchplatz mit einer ungewöhnlichen Komposition begrüsst.

Eröffnung Eidgenössisches Volksmusikfest:

Donnerstag ab 17 Uhr, Kirchplatz vor der Stadtkirche, Aarau.

Ungewöhnlich deshalb, weil hier drei verschiedene Musikformationen zusammenkommen: die Aarauer Turmbläser als Brass-Quartett, das Ländlertrio «entweder-aber» und Carilloneur Hubert Schäpper mit seinem Glockenspiel. Sie spielen an der Eröffnungsfeier gemeinsam drei Stücke aus der Feder von «entweder-aber»-Klarinettist Christian Bertschi.

Dass ihm die Ehre zufällt, die musikalische Festeröffnung zu schreiben, weiss Bertschi erst seit Anfang Jahr. Bereits im Frühling waren die Kompositionen vollendet. «Es war eine Herausforderung, die sehr verschiedenen Instrumente im Stück gleichwertig einzusetzen», erzählt der Komponist bei den Proben.

Die Turmbläser spielen Trompeten, Tenor- und Bassposaune, in einem Stück kommt ein Flügelhorn zum Einsatz. Das Ländlertrio «entweder-aber» ergänzt die Kompositionen mit Schwyzerörgeli, Klarinette und Kontrabass. Und dann kommt Schäpper mit seinen Obertorturmglocken ins Spiel.

Und genau hier hatten die Musiker eine grosse Nuss zu knacken. Denn: Eigentlich hätte die Eröffnungsfeier direkt beim Obertorturm stattfinden sollen. Bereits früher hatten Glöckner und Turmbläser hier gemeinsam musiziert, was bestens funktionierte.

Aus logistischen Gründen wurde nun aber die Eröffnungsfeier vor die Stadtkirche verlegt. Allerdings ist diese zu weit weg vom Obertorturm: Der Glockenklang müsste mehrere hundert Meter Luftlinie überwinden, wobei er von den vielen Mauern der Altstadt abgelenkt würde. Für Glöckner Hubert Schäpper wäre es so unmöglich, die elf Glocken synchron mit den Musikern auf dem Kirchplatz erklingen zu lassen. Was nun?

Glockenklänge aus Keyboard

«Wenn wir die Eröffnungsfeier nicht zum Obertorturm bringen können, bringen wir halt den Obertorturm zur Feier», sagt Schäpper und lacht. Er spielt nun zwar live, aber ab Konserve. Und das funktioniert so: Die Glockengiesserei Rüetschi, von der die Obertorturmglocken stammen, nimmt jeweils die Töne ihrer Produkte auf.

Um diese koordiniert abspielen zu können, verwendet Glöckner Schäpper heute eine Software der Berner Musikhochschule. Mithilfe dieser Software lassen sich die einzelnen Glocken je einer Keyboard-Taste zuordnen.

Schäpper kann also mit dem Keyboard sein Carillon spielen, als sässe er im Turm. «Die modernste Art, wie ich je Glocke gespielt habe!», kommentiert er an der Probe und klimpert rasch ein Weihnachtslied.

Normalerweise muss Schäpper 187 Stufen erklimmen, um zu seinem Instrument zu gelangen. Jetzt, bei den Proben in Oftringen, ist sein grösstes Problem die Frage, ob er zum Keyboardspielen lieber steht oder auf dem Schemel sitzt – er entscheidet sich schliesslich fürs Knien.

Noch ein paar Handgriffe an der Technik, dann der erste Spielversuch als Gesamtformation. Nach den letzten Tönen aus den anderen Instrumenten hallt die Glocke noch lange nach. Komponist Bertschi verschränkt die Arme und strahlt – Übung geglückt! «Ich habe nicht immer deine Komposition gespielt», sagt Schäpper und lacht schelmisch.

Ein bisschen Improvisation muss sein. Nun geht es darum, die Lautstärke der Instrumente aufeinander abzustimmen: «Ich höre nur dich!» – «Und ich höre nur Glocken.» Die Musiker haben noch ein bisschen Arbeit vor sich – aber bereits ist klar: Diese Eröffnungsfeier dürfte für die Zuhörer ein Erlebnis werden.