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Aaraus Stadtrat sehnt sich nach Abstand. Michael Ganz tritt Ende Jahr nach 12 Jahren als Stadtrat zurück und wandert vielleicht in die USA aus. In Santa Barbara hat er ein Restaurant gekauft. Doch in ein, zwei Jahren will er wieder zurück sein.
Was ihm fehlen wird? Das Mitreden. «Es ist faszinierend, bei wichtigen Entscheiden mitzudiskutieren und seine Gedanken und Überzeugungen einzubringen», sagt Michael Ganz.
Und doch – oder gerade deshalb – überlegt er sich, nächstes Jahr mit Sack und Pack und Familie nach Santa Barbara in Kalifornien zu ziehen.
Dort, wo er in den Neunzigerjahren ein paar Monate lang Englisch und Geschichte studiert hat, hat er nun ein Restaurant gekauft.
Nicht, dass es eine Flucht wäre, sagt er. Eher sei es die Suche nach einer neuen Herausforderung, einer neuen Umgebung, Zeit für die Familie, nach etwas anderem.
«Als Stadtrat steht man in der Öffentlichkeit, ist extrem verknüpft. Ich kann nicht einfach einen Schalter umlegen und weitermachen», sagt Ganz.
Selten habe es für ihn einen Tag ohne Termin gegeben. «Ich sehne mich nach Abstand.»
Michael Ganz wurde 1971 in Aarau geboren und hat hier die Primar-, Bezirks- und Kantonsschule besucht. Nach der Matur hat er Geschichte und Englisch studiert. Seit 2001 ist Ganz selbstständig und führt den Boiler Club an der Rathausgasse. Mit Ausnahme eines knappen Jahres in den USA hat er immer in Aarau gewohnt. Ganz ist verheiratet und hat zwei Töchter. (az)
Kandidatur im letzten Moment
Von hundert auf null. So, wie Ganz sich von der städtischen Politik verabschiedet, so ist er vor zwölf Jahren auch eingestiegen: Es war das Jahr 2001, vier Stadträte hatten ihren Rücktritt bekannt gegeben, es herrschte Aufbruchstimmung. Bewegung kam in die Parteienlandschaft, «Pro Aarau» und «Jetzt!» wurden gegründet, man wollte die Chance auf Veränderung beim Schopf packen.
«Wir haben Michael am letzten Tag der Anmeldefrist für die Stadtratswahl angemeldet», erinnert sich Ueli Hertig, Präsident von Pro Aarau. Ein mutiger Angriff. Aber Ganz, damals knapp 30 Jahre alt, politischer Neuling und Lehrer an der Berufsschule, wurde gewählt. Ein erstes Mal, ein zweites und drittes Mal.
Wer ist er eigentlich, dieser Michael Ganz? Kein Lärmer, kein Haudegen. Ein Unauffälliger. «Er ist ruhig, verhalten und überlegt», sagt sein Stadtratskollege Carlo Mettauer über ihn.
«Er bringt immer wieder interessante Lösungsvorschläge ein und ist in seinem Ressort sehr kompetent.»
Ruhig, diese Eigenschaft erwähnen auch andere. Ueli Hertig fügt hinzu: «Wenn er aber eine Meinung hat, vertritt er die auch vehement.»
Noch-Stadtpräsident Marcel Guignard sagt, Ganz sei überlegt, profund. «Er hat das unternehmerische Denken in den Stadtrat eingebracht.»
Jolanda Urech findet: «Michael ist ein kluger Stratege. Er hat die Stadtratssitzungen mit seinem ganzheitlichen Denken bereichert.»
Sie schätzte seine überzeugenden Voten gegen zu viel Bürokratismus und Reglementarismus.
Und was sagt er selbst über sich? «Ich bin keiner, der über die Stränge schlägt. Aber ich bin jemand, der mitmacht. Ich reklamiere nicht, ich handle.»
«Da ist viel Panik im Spiel»
2009 kandidierte Michael Ganz ohne Chancen für das Amt des Stadtammanns. Warum nicht auch 2013, da die Aussichten auf Erfolg doch deutlich besser gewesen wären? «In dieser Konstellation mit drei Kandidaten wäre es schwierig geworden», sagt er.
«Ausserdem hätte ich das Amt mindestens zwei Legislaturen lang ausüben müssen, damit wäre ich insgesamt zu lange am Stück im Stadtrat gewesen.»
Für ihn persönlich, aber auch politisch seien diese zwölf Jahre eine gute Zeit gewesen. Zuständig für die Ressorts Soziales, Gesundheit, Jugend und Alter, war sein Steckenpferd das Alter. Hier sei er zum Fachmann geworden, sagt er.
Auch in finanzpolitischen Fragen habe er gerne mitgeredet. Und tut es auch jetzt, beim Gespräch an der Bar in seinem Club. Die Diskussion um den Aarauer Finanzhaushalt macht ihm Sorgen, da sei viel Panik im Spiel.
Es gehe der Stadt besser, als einige behaupten würden. Dass nun der Rotstift überall angesetzt werde, ärgert ihn.
«Wir haben Aarau enorm weitergebracht. Es wäre schade, das alles für einen Steuerfuss von 94 Prozent aufs Spiel zu setzen.» Da wird sogar ein Ganz laut.
Was, wenn er zurückkommt?
Jetzt verabschiedet sich Michael Ganz. Nach zwölf Jahren aus dem Stadtrat, nach 42 Jahren vielleicht auch aus Aarau.
Den Boiler Club wird er behalten und damit etwas, womit er der Stadt weiterhin etwas geben kann, «damit sie lebenswert und attraktiv bleibt», wie er sagt.
Wird er zurückkommen? «Ich gehe davon aus, dass ich in ein, zwei Jahren wieder in Aarau bin», sagt er und lacht, «sofern der neue Stadtrat keinen Seich macht.»
Würde er wieder mitreden? «Ich würde mich sicher wieder engagieren. Wie gesagt: Ich kann nicht irgendwo leben, ohne mich beteiligen zu wollen.»