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Das Restaurant Sevilla an der Kirchgasse wurde ausgehöhlt – zum Vorschein gekommen ist die Bausubstanz der spanischen Beiz aus den Zwanzigerjahren. Der Inhaber will, dass das spanische Flair in der Beiz Einzug hält.
Das «Sevilla» an der Kirchgasse ist zu. Nicht nur abgeschlossen, die grossen Fenster sind mit grossen Kartons blickdicht gemacht. Aus dem Innern hört man es hämmern und klopfen.
Der Gastraum des «Sevilla» ist nicht mehr wiederzuerkennen. Das Mobiliar, die Bastteppiche, der Kachelofen, das Buffet, alles ist weg. Decke, Wände, Boden, alles wurde herausgerissen. Nicht einmal mehr der Geruch von abgestandenem Rauch hängt in der Luf, sondern Baustaub. Geblieben ist nur der Helgen des Aarauer Malers Werner Holenstein, den er im Herbst 1957 im Säli an die Wand gemalt hatte, um seine Trinkschulden zu begleichen.
Inhaber Beat Geser hat Tabula rasa gemacht – und das uralte «Sevilla» entdeckt: Unter den Pavatexplatten ist eine Kassettendecke zum Vorschein gekommen, an den Wänden wurden Malereien aus den Zwanzigerjahren freigelegt und unter vier verschiedenen Schichten Bodenbelägen ist ein schönes Fischgrat-Eichenparkett aufgetaucht. «Die Bausubstanz ist diejenige aus den Zwanzigerjahren», sagt Geser. Er ist begeistert davon, was er per Zufall unter den an Decke und Boden genagelten Platten entdeckt hat. Und nicht nur er, auch die kantonale Denkmalpflege.
Für Geser stand sofort fest: Er will aus dem heutigen «Sevilla» das «Sevilla» aus den Zwanzigerjahren rekonstruieren, das 1922 von spanischen Einwanderern eröffnet worden war. Dazu wird der Parkettboden abgeschliffen und versiegelt, die Kassettendecke restauriert und die Malereien in zartem Mintgrün wieder aufgefrischt.
Auch das spanische Flair soll wieder in der Beiz Einzug halten: So soll es nicht mehr bloss Vierertische geben, sondern zwei grosse Tafeln aus Eichenholz, an denen alle Gäste gemeinsam sitzen und Tapas essen können. So will Geser auch dem ursprünglichen Charakter des «Sevilla» weiterhin gerecht werden: dem Ort, an dem vom Regierungsrat bis zum Maurerlehrling jeder Platz hat.
Endlich eingeführt werden soll nun auch, was Geser bereits bei der Übernahme im Sommer 2013 angekündigt hatte: Die Küche, die über Mittag und abends ein paar ausgesuchte Menüs anbietet. Dafür hat er im ersten Stock des Hauses eine grosse Küche mit allem Drum und Dran eingebaut. Daneben gibt es ein Magazin, einen Büroraum und eine Personaltoilette. Interessierte Pächter, die das «Sevilla» im spanischen Stil führen möchten, hat Geser bereits, für einen entschieden hat er sich noch nicht.
Ein etwas fader Beigeschmack bleibt trotzdem: Bei der Übernahme von René und Annalis Dätwiler-Maurer, die das «Sevilla» über 40 Jahre lang geführt hatten, hatte Geser doch versprochen, dass mehr oder weniger alles beim Alten bleibe. «Das stimmt», sagt Geser, das sei grundsätzlich auch seine Absicht gewesen. «Aber es hat sich gezeigt, dass es unmöglich ist, das ‹Sevilla› so zu belassen und einen Pächter zu finden.»
Im heutigen Zustand wäre es laut Geser für keinen Pächter möglich, so viel zu verdienen, dass es zum Leben reicht. «Ich musste etwas verändern, damit das ‹Sevilla› weiter Bestand hat.» Und indem er aus dem heutigen Restaurant das Restaurant aus den Zwanzigerjahren mache, bleibe das Ursprüngliche ja beibehalten.
Was ist mit Gesers Aussage von damals, er wolle Aaraus letzte Spelunke nicht sterben lassen? «Ich will auf gar keinen Fall ein Nobelrestaurant machen, sondern einen Ort mit gutem Wein und gutem Essen, an dem jeder willkommen ist. So, wie das seit Jahrzehnten der Fall ist.»
Deshalb soll auch das Preisniveau tief bleiben. Geser sagt, er habe Verständnis dafür, dass die Leute skeptisch auf seinen Umbau reagieren. Er hofft aber, dass sich die Stammgäste ebenso für das Zwanzigerjahre-Sevilla begeistern können, wie er selbst. «Ich bin mir sicher, dass es den Gästen gefallen wird.» Wann Eröffnung gefeiert wird, ist noch unklar. Die Umbauarbeiten werden noch einige Wochen in Anspruch nehmen.