Ausgezeichnet
Aarauer Kita gibt sich selber ein Qualitätslogo

Die neue Kindertagesstätte in der Aarenau pflegt einen lockeren Umgang mit Auszeichnungen.

Sabine Kuster
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Die Aare Kita in der Aarenau ist ein freundlicher Ort – aber mit selbst gemachten Lorbeeren ausgezeichnet. Sandra Ardizzone

Die Aare Kita in der Aarenau ist ein freundlicher Ort – aber mit selbst gemachten Lorbeeren ausgezeichnet. Sandra Ardizzone

Sandra Ardizzone

Die Internetseite der Aare Kita ist ein Webauftritt wie jener von anderen Kindertagesstätten auch: viel Farbe und Fotos von lachenden Kindern. Auch ein Qualitätslabel ist da zu finden. In der Rubrik «News» heisst es dazu in einem Eintrag vom 1. Februar: «Qualitätslabel erhalten! Die Aare Kita hat soeben das Qualitätslabel des Vereins ‹SQK Swiss Quality Kita› erhalten und wir bedanken uns für die Anerkennung unserer Arbeit.»

Die Frage ist: Wer bedankt sich da bei wem? Denn der Präsident dieses Vereins, Jean-Claude Furegati, ist gleichzeitig Geschäftsführer der Kita Suisse GmbH, deren bislang einzige offene Kita die Aare Kita in Aarau ist.

Laut Furegati wurde der Verein SQK Swiss Quality Kita vor drei Wochen gegründet. Somit ist auch das Label brandneu. Furegati sieht kein Problem darin, dass er Vereinspräsident und Geschäftsführer ist. Das Label sei ein Qualitätslabel wie andere Auszeichnungen. Die Qualitätsanforderungen habe man grob besprochen, zum Beispiel müssen auf eine Gruppe von maximal 11 Kindern zwei Ausgebildete und eine Praktikantin kommen. Pro Gruppe soll eine Fläche von mindestens 60 Quadratmetern zur Verfügung stehen.

Auszeichnungen nicht verboten

Soweit so ungewöhnlich – aber legal. Jeder kann Auszeichnungen verleihen, gewöhnlich nicht sich selbst, aber rechtlich definiert ist es nicht. Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, sagt: «Die Leute sind bei Auszeichnungen generell sehr kreativ, das ist ein beliebtes Marketing-Instrument.» In dieser Form sei ein Label allerdings unglaubwürdig und eine Farce. «Das entbehrt jeder Neutralität», so Stalder. Vertrauenswürdige Labels kennen klare Kontrollmechanismen und unabhängige Auditoren.

Wildwuchs bezüglich Labels herrscht in der Schweiz vor allem in der Lebensmittelbranche. Für die Kinderbetreuung gab es bisher nur ein bekanntes Label: Jenes der «QualiKita» vom Verband Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse) und der Jacobs Foundation. Man sei Mitglied bei kibesuisse, hiess es im Februar auf der Website der Aare Kita. Darauf intervenierte kibesuisse Anfang März bei Furegati.

Dieser behauptete, man habe sich im Dezember bei kibesuisse angemeldet. Beim Verband konnte man keine solche Anmeldung finden. So oder so hätte die Kita sich noch nicht als Mitglied bezeichnen dürfen. «Diese Dreistigkeit habe ich noch nie erlebt», sagt Geschäftsleiterin Nadine Hoch von kibesuisse. Und die angegebene Betreuung entspreche zwar dem Standard, doch: «Gute Qualität ist nicht nur vom Betreuungsschlüssel abhängig.» Laut Kita Suisse-Geschäftsführer Furegati sollen die Informationen über die zusätzlichen Richtlinien in Kürze online stehen.

Weitere falsch platzierte Labels

Bloss: Die Kibe-Mitgliedschaft ist nicht das einzige, was wieder von der Website entfernt werden musste: Auch die Bio-Knospe und die «Fourchette verte», eine Auszeichnung für gesundes Essen, waren ungefragt aufgeführt worden. «Wir haben fälschlicherweise angenommen, dass wir das Logo als Qualitätsversprechen unseren Kunden angeben dürfen, da unser Lieferant SV Schweiz damit zertifiziert ist.» Da man aber direkt zertifiziert sein müsse, sei das Logo mit Rücksprache der Anbieterin wieder gelöscht worden. «Die Nennung der Logos der oben genannten Marken haben wir nicht vorsätzlich zur Täuschung oder ähnliches benutzt», schreibt Furegati in einer Stellungnahme, «sondern um unseren Kunden anzugeben, auf welche Qualitätsmerkmale wir achten.»

Alle Logos, auch das selbst kreierte «Swiss Quality Kita», stehen seit gestern nicht mehr auf der Internetseite. Die eingangs erwähnte Meldung, man habe das Label erhalten, jedoch schon. Inklusive Ablaufdatum: «Unsere Zertifizierung ist gültig bis 1. Februar 2020», steht am Schluss geschrieben.

Die Kinder in der Aare Kita kümmert das Label-Chaos wohl wenig. Die Räume sind herzig eingerichtet und im Hof haben die Kinder viel Platz zum Spielen. Der Geschäftsführer geht allerdings auch mit der angestellten Kita-Leiterin ein Risiko ein: keines in Bezug auf die Betreuung der Kinder, aber ein finanzielles (siehe Box).

Lange Vorgeschichte der Kita-Leiterin

Die Leiterin der Aare Kita ist bei mehreren Kitas in der Region einschlägig bekannt – was die Finanzen betrifft: Die Kita «Little Cupcakes», welche die Frau in Triengen LU selbstständig führte, ging 2013 Konkurs, zwei Mitarbeiterinnen warten noch immer auf Lohnzahlungen.

In den Jahren davor wurde sie in der Kita Äntenäscht (damals «Regenbogen») in Oberentfelden und darauf in der Kita Cat in Kölliken fristlos entlassen. Beide Male hatte sie auf Kita-Kosten Waren für den Eigenbedarf bestellt. In Oberentfelden zweigte sie zudem Geld ab, wenn Eltern Kinder ausserplanmässig zur Betreuung brachten. Max Gysin, Präsident des Vereins Äntenäscht, sagt: «Sie ist gleichzeitig naiv, unverfroren und bauernschlau.» Veit Zumbach, Vorstandsmitglied der Kita Cat, sagt: «Wir haben ihr vertraut, nun ist sie uns mehr als 40 000 Franken schuldig.» Er kann zudem einen Strafbefehl vorweisen wegen Veruntreuung, weil sie sich ihren Lohn drei Monate zu früh ausgestellt hat, vor Eröffnung der Kita, sowie weil sie unrechtmässige 5000 Franken vom Vereinskonto bezogen hat für das Schulgeld ihrer Krippenleiterausbildung. Bei der Aare Kita hat die Kita-Leiterin keine finanzielle Verantwortung. Weder Geschäftsführer Furegati noch die Kitaleiterin selbst wollten zur Vorgeschichte Stellung nehmen. (kus)