Zehn Männer und Frauen wollen (wieder) in den Aarauer Stadtrat. Die AZ stellt sie anhand eines standardisierten Fragebogens vor. Heute: Suzanne Marclay-Merz (FDP).
Was stört Sie an Aarau?
Aarau ist eine sehr attraktive, vielfältige Kantonshauptstadt mit einer enorm hohen Lebensqualität. Wir fühlen uns als Familie rundum wohl. Die Stadt wird von Auswärtigen oft unterschätzt oder sogar übersehen. Optimiert werden muss die Verkehrssituation insgesamt.
Als Unternehmensstandort müssen wir attraktiv und wettbewerbsfähig bleiben, um noch mehr qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Uns fehlt zur Verbesserung der Vereinbarkeit eine Tagesschule. Ausserdem störe ich mich an rücksichtslosen Zeitgenossen, die ihren Abfall überall liegen lassen.
Wie lange halten Sie es ohne Handy aus?
Mein Handy dient mir nicht nur als Telefon, sondern ist zugleich Arbeitswerkzeug, Agenda, Notizblock und Nachschlagewerk. Ich lege es aber regelmässig bewusst weg oder lasse es zu Hause. Beispielsweise, wenn ich mit dem Hund im Wald spazieren gehe. Mir ist es wichtig, eine Balance zu finden zwischen guter Erreichbarkeit und störungsfreien Zeitfenstern.
Suzanne Marclay-Merz (48) ist verheiratet mit Christophe Marclay und hat drei Kinder. Die Juristin und frühere Bezirksgerichtspräsidentin hat eine relativ steile Politkarriere gemacht: Sie ist seit 2018 Stadträtin, ohne Einwohnerrätin gewesen zu sein, ausserdem Grossrätin. Unter anderem ist sie auch Verwaltungsratspräsidentin der Bank Leerau.
Warum sind Sie Politikerin geworden?
Das war ein glücklicher Zufall. 2015 ist unsere Nanny überraschend ausgefallen. Aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten habe ich mein Amt als Gerichtspräsidentin niedergelegt, um mich ganz der Familie zu widmen. Obwohl diese Zeit sehr bereichernd war, merkte ich, dass mir das berufliche Engagement fehlte.
Genau in dieser Zeit wurde ich angefragt, ob ich mich politisch engagieren möchte. Meine langjährige Berufserfahrung in der Privatwirtschaft und später am Gericht haben mir den Einstieg in die Politik sicherlich erleichtert. Mein Mann und ich sind ein eingespieltes Team und die Balance zwischen Berufsleben, Politik und Familie gelingt uns sehr gut.
Warum ist Andreas Glarner ein guter Politiker?
Politiker wie Andreas Glarner provozieren und polarisieren – diese Art von Politik ist nicht mein Stil. Ich schätze Politikerinnen und Politiker, die sachlich, konstruktiv kritisch argumentieren und sich für tragfähige Lösungen einsetzen.
Wofür werden zu viele Steuergelder ausgegeben?
Es gibt in verschiedenen Bereichen systembedingte Fehlanreize, sodass Gelder nicht immer gezielt und effizient eingesetzt werden können, wie etwa im Gesundheitssystem oder dem Sozialwesen. In der Stadt achten wir auf einen sorgsamen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen. Dennoch stört es mich, wenn für öffentliche Tief- und Hochbauten extrem hohe Summen investiert werden, wie etwa aktuell die insgesamt 40 Mio. für den Pont Neuf.
Wenn Sie einfach so könnten: Wofür würden Sie 10 Millionen Steuer-Franken ausgeben?
Ich würde einen Teil des Geldes in zukunftsträchtige, innovative Geschäftsideen von Jungunternehmen hier in der Stadt investieren, um so attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem würde ich für die rasche Realisierung einer Tagesschule eine Anschubfinanzierung leisten, um die Vereinbarkeit zu verbessern. Den Rest würde ich für eine Steuerfusssenkung einsetzen zur Wahrung der Standortattraktivität.
Trauern Sie dem Zukunftsraum nach?
Nein. Es wäre verlorene Energie, einem offenbar nicht mehrheitsfähigen Projekt nachzutrauern. Vielmehr sollten wir die aus dem langjährigen Prozess gewonnenen Erkenntnisse mit in die Zukunft nehmen. Daran können wir anknüpfen bei der weiteren engen Zusammenarbeit mit unseren Nachbargemeinden.
Es gibt viele Bereiche, in welchen wir die vorhandenen Synergien durch eine engere Zusammenarbeit nutzen sollten, wie etwa im Bereich der Sicherheit, der Pflege, in der Sozialarbeit, bei den Steuern oder der IT. Wichtig erscheint mir, dass der Dialog offen bleibt, unabhängig davon, ob die Zusammenarbeit durch Fusion oder eine vertragliche Lösung erfolgt.
Haben Sie Verständnis für die Einsprecher gegen das Stadion?
In der aktuellen Situation nicht mehr. Unsere Demokratie und unser Rechtssystem sind zentral für das Funktionieren unseres Staates. Es ist für mich legitim, wenn Nachbarn gegen ein Projekt Einsprache erheben, um ein Projekt im Rahmen des geltenden Rechts zu verbessern oder anzupassen. Wenn es aber bei einer Beschwerde nur darum geht, einen demokratisch legitimierten Entscheid und damit ein gesamtes Stadion zu verhindern, dann habe ich kein Verständnis für ein solches Vorgehen.
Warum könnten Sie sich vorstellen, in einer Telli-«Staumauer» zu wohnen?
Ich könnte mir sehr gut vorstellen, in einer dieser Wohnungen zu wohnen. Als ich zum ersten Mal eine der Wohnungen betrat, war ich begeistert. Die Wohnqualität ist hoch. Die Grünflächen zwischen den Gebäuden sind sehr grosszügig. Die Lage zwischen Naherholung und Einkaufsmöglichkeiten ist hervorragend. Auch die Verkehrsanbindung ist sehr gut. Das Telliquartier ist ein vielfältiges und wertvolles Quartier, dem wir bei der weiteren Stadtentwicklung Sorge tragen müssen.
Was finden Sie attraktiv an sich?
…dass ich über Fragen wie diese lachen kann.