Zehn Männer und Frauen wollen (wieder) in den Aarauer Stadtrat. Die AZ stellt sie anhand eines standardisierten Fragebogens vor. Heute: Silvia Dell'Aquila (SP).
Was stört Sie an Aarau?
Silvia Dell'Aquila: Gerade in Stadtentwicklungsprozessen müsste mehr passieren, partizipativer, offener, schneller. Was ist mit dem Torfeld Nord, wie geht’s mit dem Kasernenareal weiter, wie entwickelt man Quartiere wie die Aarenau oder das Torfeld Süd, die immer weiter wachsen? Wie geht man mit Quartieren um, bei denen verschiedene Bedürfnisse aufeinandertreffen, wie der Altstadt, die ein Ort ist, an dem Menschen ihre Freizeit verbringen, wohnen und ausgehen? Es gibt auch Gebiete, deren Entwicklung niemanden interessiert, wie die Schönenwerder- oder Buchserstrasse. Die Überrepräsentierung gewisser Quartiere in wichtigen, politischen Entscheidungsgremien führt zu einem Ungleichgewicht und aus meiner Sicht zur Ungleichbehandlung innerhalb der Stadtbevölkerung beispielsweise in der Verkehrspolitik. Und apropos Verkehr: Seit Jahren wird eine Lösung für den Busverkehr gesucht, der für ÖV-Nutzende wie auch Altstadtbesuchende aber besonders auch für Altstadtbewohnende und das Gewerbe stimmt. Seit Jahren wird diskutiert, aber es passiert nichts. Muss das so lange gehen?
Wie lange halten Sie es ohne Handy aus?
Ich habe ein gesundes Verhältnis zu Kommunikation und Erreichbarkeit, weshalb ich keine «Zwangspausen» oder «Entwöhnungstage» einlegen muss und deshalb auch nicht weiss, wie lange ich es ohne Handy «aushalte».
Warum sind Sie Politikerin geworden?
Aus einer Dringlichkeit heraus, meine Lebensrealität einzubringen und die Gesellschaft mitzugestalten.
Silvia Dell’Aquila (45) ist Geschäftsführerin bei der Gewerkschaft VPOD Aargau/Solothurn. Die Soziologin sass lange im Aarauer Einwohnerrat, mittlerweile ist sie Grossrätin. 2017 kandidierte sie wild für den Stadtrat, dieses Mal hat die SP sie offiziell nominiert. Sie wäre die erste Seconda (ihre Eltern stammen aus Sizilien), die erste Mieterin und die erste offen homosexuelle Frau im Aarauer Stadtrat.
Warum ist Andreas Glarner ein guter Politiker?
Bei vielen Politikern und Politikerinnen, egal welcher Partei, steht das Wohl der Menschen und der Gemeinschaft im Zentrum, auch wenn je nach politischer Ausrichtung andere Vorstellungen und Lösungen bestehen. Bei Herrn Glarner vermisse ich aufgrund seiner Aussagen und Positionen das Engagement für die Menschen und unsere Gesellschaft. Ich vermisse den Respekt gegenüber allen Menschen und anderen Ideen. Deshalb ist er für mich kein guter Politiker.
Wofür werden zu viele Steuergelder ausgegeben?
Es ist schwierig, einzelne Bereiche zu benennen. Auffallend ist in der politischen Diskussion aber, dass man über kleine Beträge in den Bereichen Kultur, Jugend und Familie heftig diskutiert, während es völlig normal ist, über eine Million für einen Kreisel auszugeben. Unverständlich ist für mich, dass Milliarden für die Anschaffung von Kampfjets ausgegeben werden, und das mitten in der Coronakrise, gleichzeitig aber in der jetzigen Afghanistan-Krise keine Flüchtlinge aufgenommen werden.
Wenn Sie einfach so könnten: Wofür würden Sie 10 Millionen Steuer-Franken ausgeben?
Es gibt viele Bereiche, in denen investiert werden müsste. Beispielsweise bei den Angeboten für Kinder und Jugendlichen oder in der Energie- und Umweltpolitik. In Aarau dringend nötig ist die Schaffung eines umfassenden Angebots im Bereich familienergänzende Kinderbetreuung, das auch eine Tagesschule beinhaltet. Damit erhalten alle Eltern die Möglichkeit, ihren beruflichen und gesellschaftlichen Zielen nachzugehen, ihr Potenzial auszuschöpfen und gleichzeitig ihren Aufgaben als Mutter oder Vater gerecht zu werden. Es braucht mehr Stellen im Bereich der Aufsicht von Kitas, um Missstände zu vermeiden, die immer wieder festgestellt werden und gegen die man vorgehen müsste. Leider sind diese Stellen in Aarau unterdotiert. Und für noch etwas würde ich das Geld einsetzen: der Musikunterricht an den Schulen soll in Aarau kostenlos sein, damit wirklich alle Kinder, die es wollen, ein Instrument erlernen können.
Trauern Sie dem Zukunftsraum nach?
Ich war am Prozess in verschiedenen Phasen beteiligt und glaubte an diese regionale Fusion, die aus meiner Sicht ein bessere wirtschaftliche und gesellschaftliche Positionierung der Stadt Aarau ermöglicht hätte. Offensichtlich war die Zeit noch nicht reif dafür. Ich bin aber überzeugt, dass wir in ein paar Jahren nicht umhin kommen, das Thema wieder aufzunehmen.
Haben Sie Verständnis für die Einsprecher gegen das Stadion?
Persönlich bin ich der Meinung, dass die Aarauer Stimmbevölkerung sich genug oft für den Bau eines Stadions im Torfeld Süd ausgesprochen hat und diese Abstimmungsresultate respektiert werden sollten. Jede und jeder kann und soll aber auch den Rechtsweg nutzen, wenn er oder sie dies für nötig hält.
Warum könnten Sie sich vorstellen, in einer Telli-«Staumauer» zu wohnen?
Je nach Wohnung ist die Aussicht fantastisch, die Nähe zum Naherholungsgebiet unschlagbar. Es spricht für mich nichts dagegen. In bin selbst in einer Blocksiedlung aufgewachsen, es gibt Vor- und Nachteile bei einer solchen Wohnform und sie ist im Moment nicht die, die ich suche.
Was finden Sie attraktiv an sich?
Was soll die Frage? Alles!