Schweizweite Studie
Aarau erhält eine «goldene Schuhbürste» für Fussgänger-Wege – hat aber auch Verbesserungspotenzial

Der Verein «UmverkehR» hat ein Projekt lanciert, um die Fussgängerfreundlichkeit von Schweizer Städten zu testen. Alle untersuchten Städte weisen Verbesserungspotenzial auf. Aarau erhielt für die Infrastruktur die beste Bewertung.

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Aarau bietet Fussgängern zumeist angenehme und sichere Voraussetzungen.

Aarau bietet Fussgängern zumeist angenehme und sichere Voraussetzungen.

Keystone

Sechzehn grosse Städte in der Schweiz wurden auf ihre Infrastruktur, Planungspraxis und die Zufriedenheit der Bevölkerung im Bereich Fussverkehr untersucht. Aarau hat demnach die beste Infrastruktur für Fussgänger. Das geht aus der Studie «Gehsund – Städtevergleich Fussverkehr» des Vereins «UmverkehR» und der Hochschule für Technik Rapperswil hervor.

Gute Infrastruktur für den Fussverkehr bedeutet, dass die Voraussetzungen für eine sichere und angenehme Bewegung gegeben sind. Wenn das der Fall ist, werden auch vermehrt Wege zu Fuss zurückgelegt. Vier Kriterien der Infrastruktur wurden in der Studie untersucht:

  • Strecken: Alle Trottoirs oder Gehwege an Haupt- und Quartierstrassen, Treppenwege und Mischverkehr (etwa Wege mit Fussgängern und Velofahrern)
  • Querungen: Dazu zählen Fussgängerstreifen, Lichtsignalanlagen und Unter- oder Überführungen.
  • Haltestellen
  • Plätze und Begegnungszonen

Dafür wurde der Stadt nun symbolisch die «goldene Schuhbürste» verliehen, wie vier weiteren Schweizer Städten. Diese symbolisiere, so die Studie, dass Aarau zwar gut abgeschnitten habe, aber dennoch weiterhin an der Fussgängerfreundlichkeit polieren müsse, um zu brillieren.

Aaraus Stärken und Schwächen

Konkret wurden in der Stadt 43 Strecken, 28 Querungen, 11 Haltestellen und 8 Plätze bewertet. Mit 66 Prozent erzielte Aarau dort das beste Ergebnis aller untersuchten Städte. Der Durchschnitt lag bei 63 Prozent.

Überdurchschnittliche Qualität weist Aarau laut Studie bei den Trottoirs an Hauptstrassen auf. Sie seien meist durchgehend, mit guten Belägen und Konflikte mit Autos oder Velos seien selten. Die Querungen lägen meist gut im Netz, wären immer mit Vortritt versehen und wiesen einen guten Zustand auf. Die Grünzeiten an Lichtsignalanlagen seien ausreichend. An Haltestellen fielen Wartehäuser, ebene Oberflächen und angemessen grosse Warteräume positiv auf. Aaraus Plätze konnten mit geringer Verkehrsbelastung und einer vielerorts guten Belagswahl ohne Stolperfallen punkten.

Schwächen und Handlungsbedarf zeigt die Studie dagegen bei den Mischverkehrsstrecken oder Trottoirs in Quartierstrassen auf. Querungen von Seitenstrassen seien häufig ohne Vortritt. Sogenannte «Bettelampeln», die erst auf Anforderung grünes Licht geben, wiesen zu lange Wartezeiten auf. Bei Querungen ohne Ampel fehlten zudem häufig Bordsteinabsenkungen. Auch an Haltestellen bräuchte es noch häufiger niveaugleiche Einstiege in die Fahrzeuge und bessere Wegführung für Sehbehinderte.

Der Bahnhofplatz in Aarau erhielt eine durchschnittliche Bewertung.

Der Bahnhofplatz in Aarau erhielt eine durchschnittliche Bewertung.

Severin Bigler

Bei öffentlichen Plätzen gäbe es jedoch diverse Problempunkte. Dort erzielte Aarau das schlechteste Ergebnis aller untersuchten Städte. So wurden einerseits fehlende Sitzgelegenheiten und schattenspendende Bäume bemängelt. Andererseits wurde auch hier die fehlende Wegführung für Sehbehinderte und auch Störungen durch Mischverkehr oder Anlieferungen kritisiert.

Wie zufrieden sind die Aarauer mit dem Fussverkehr?

237 Personen aus der Stadt Aarau haben an der Online-Umfrage zur Studie teilgenommen. Die Zufriedenheit der Bevölkerung liegt im Städtevergleich im Durchschnitt.

Zufrieden zeigten sich die Befragten vor allem mit dem Wegnetz und der Zugänglichkeit von Haltestellen. Die Länge der Grünphasen und die Anzahl der Trinkbrunnen in der Stadt wurden als ausreichend empfunden.

Unzufrieden sei die Bevölkerung dagegen mit öffentlichen WCs und deren Sauberkeit. Parkierte Autos und Velofahrer auf Gehflächen störten ebenso wie lange Wartezeiten bei Lichtsignalanlagen. Als wenig rücksichtsvoll wurden Buschauffeure bezeichnet.

Allgemein wünschten sich gemäss dieser Umfrage die Aarauer bessere Beleuchtung der Quartierwege und eine Ausweitung der Fussgänger- und Begegnungszonen in der Altstadt. Der Fuss- und Veloverkehr solle ausserdem besser getrennt oder illegal verkehrende Radfahrer wenigstens konsequenter gebüsst werden. Auch eine Aufwertung des Aare-Ufers wurde gewünscht. (phh)

«Gehsund – Städtevergleich Fussverkehr»

Fussgänger brauchen mehr Platz. Zu diesem Schluss gelangte das Projekt «Gehsund – Städtevergleich Fussverkehr» des Vereins umverkehR und der Hochschule für Technik Rapperswil. Das Projektteam untersuchte dazu die Fussgängersituation der Städte Aarau, Basel, Bellinzona, Bern, Biel, Chur, Genf, Lausanne, Locarno, Lugano, Luzern, Neuenburg, St. Gallen, Winterthur, Zug und Zürich mittels drei verschiedener Teilprojekte. So sei mit einer Begehung die Situation vor Ort beurteilt worden. Zudem sei auch die städtischen Aktivitäten zur Förderung des Fussverkehrs bewertet und die Zufriedenheit der Bevölkerung mittels einer Umfrage ermittelt worden. Am Mittwoch stellte der Verein die Ergebnisse der Studie vor.

Aarau schneidet wie erwähnt bei der Bewertung der Infrastruktur am besten ab, Chur bei der Zufriedenheit und Basel bei der Planungspraxis. Insgesamt ist Neuenburg gemäss Studie die fussgängerfreundlichste Stadt in der Romandie und Bellinzona erreicht im Quervergleich der Tessiner Städte die höchste Punktzahl. Insgesamt erreicht Basel mit 68 Prozent aller erfüllten Anforderungen den höchsten Wert aller untersuchten Städte.

Diese fünf Städte erhalten laut Mitteilung je eine «goldene Schuhbürste». Diese symbolisiere, dass die Stadt zwar gut abgeschnitten hat, aber weiter an der Fussgängerfreundlichkeit polieren muss, um zu brillieren. Am meisten Verbesserungspotenzial hat Lugano: Die Stadt schneidet in der Studie am schlechtesten ab. (sku)